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Das dritte Leben

Das dritte Leben

Titel: Das dritte Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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gemacht, ich habe eine Tochter?
    Er lächelte. Es war ein grausames Lächeln der Selbsterkenntnis. Nein, Wiegand, das hättest du nicht gesagt. Du hast es ja auch nicht gesagt. Du hast genau das richtige getan. Du hast geschwiegen. Das ist gut so.
    Er stand auf, ging mit schnellen Schritten zu der gepolsterten Tür, die in den Vorraum des Laboratoriums führte, öffnete sie, machte Licht, schloß sie hinter sich ab, steckte den Sicherheitsschlüssel ein. Er trat an den Schreibtisch, trug ein:
    »Versuchsreihe 31 mit Mynthonem-Extrakt an Mastdarmgewebe. Versuch c positiv. Versuch erweitern.« Dann das Datum, die Uhrzeit.
    Befriedigt schloß er die schwarze Kladde. Schraubte seinen goldenen Füllhalter zu.
    Das Telefon läutete. Verwundert blickte Wiegand auf den Apparat. Der Anschluß war erst seit zwei Tagen installiert, außer Irene hatte ihn noch niemand hier angerufen. Und Irene wußte, daß er mitten in der Arbeit war und nicht gestört werden wollte.
    Er runzelte die Stirn, nahm mit einer unwilligen Geste den Hörer ab.
    »Wiegand.«
    »Professor Matthias Wiegand?« fragte eine unbekannte Männerstimme.
    »Ja, natürlich. Wer spricht dort?«
    Schweigen. Dann Klicken in der Leitung. Ein scharfes Klicken. Die Verbindung war unterbrochen.
    Wiegand schüttelte den Kopf und warf den Hörer auf die Gabel. Er zog seinen weißen Kittel aus, hängte ihn auf den Halter, ging zum Schreibtisch zurück, nahm sein goldenes Etui aus der mittleren Schublade, zündete sich eine Zigarette an.
    Mynthonem-Extrakt; das war sein Geheimnis. Es war natürlich ein Code-Wort. Niemand, der das Tagebuch zu Gesicht bekam, konnte damit etwas anfangen. Die genaue Zusammensetzung seines Serums stand auf zwei Zetteln, die in zwei verschiedenen Panzerschränken in zwei verschiedenen Münchner Banken lagen.
    Eines Tages wirst du noch den Nobelpreis bekommen, hatte Irene ihm prophezeit, als er bei der Einweihung des Labors vor einer Woche Andeutungen über seine Fortschritte gemacht hatte.
    Sein Schwiegervater hatte ihm auf die Schulter geklopft: »Du wirst es noch weit bringen, Matthias«, und er hatte sich die Hände gerieben und wahrscheinlich an die politischen Schäflein gedacht, die er mit einem solchen Schwiegersohn ins trockene bringen konnte.
    Wiegand zuckte zusammen, als er das dumpfe Schlagen der Außentür hörte. Wer wagte es, unangemeldet in das Gebäude zu kommen?
    Verblüfft sah er zur Tür seines Arbeitszimmers, als diese aufgestoßen wurde. Ein Mann stand auf der Schwelle, in einem Kamelhaarmantel von elegantem Schnitt.
    »Was wünschen Sie?« fragte Wiegand ungehalten.
    Der Fremde nahm seinen Hut ab.
    »Wer sind Sie?« Wiegand erhob sich. »Wer hat Sie hereingelassen?« – Müßige Frage, denn er war allein im Gebäude.
    »Ich bin Reinhard Berglund.«
    Wiegand spürte noch nicht einmal den Schmerz, als die Glut der heruntergebrannten Zigarette seine Finger versengte. Automatisch zerdrückte er sie in dem Kristallaschenbecher.
    Berglund trat zwei Schritte vor. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß.
    Regungslos standen sich die beiden Männer gegenüber.
    »Berglund«, murmelte Wiegand. »Bitte, und was –« Er mußte husten, er rang nach Atem. »Bitte, ich hatte noch nicht das Vergnügen –«
    »Nein. Nicht mit mir. Das Vergnügen hatten Sie mit meiner Frau.«
    Zeit. Du wirst noch lange Zeit haben für deine Forschungen.
    Wiegand begann zu lachen. Es klang hysterisch.
    Die grauen Augen Berglunds verengten sich.
    »Sie können sich ja wohl denken, weshalb ich hier bin.«
    »Nein. Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich muß Sie bitten, mein Laboratorium zu verlassen!«
    Berglund kam langsam näher. »Nein, mein lieber Herr Professor. So schnell werden Sie mich nicht los. Wir haben einiges miteinander zu besprechen.«
    Wiegand trat hinter dem Schreibtisch hervor. Er war fast einen Kopf größer als Berglund.
    »Machen Sie sofort, daß Sie rauskommen!« Angreifen. Nicht mehr zu Wort kommen lassen. Rausschmeißen. Nur nicht in die Verteidigung drängen lassen. Alles abstreiten. Lügen.
    »Raus!« schrie er und trat drohend auf Berglund zu.
    Der blieb stehen, wo er war, in der einen Hand den Hut, die andere in der Tasche seines Mantels.
    Langsam brachte er die Hand zum Vorschein. Die häßliche schwarze Mündung einer Pistole richtete sich auf Wiegands Bauch.
    »Sie sind doch Mediziner«, sagte Berglund sachlich. »Sie wissen also auch, was es bedeutet, wenn ich Ihnen einen Bauchschuß verpasse. Genau zwei Zentimeter unterhalb des

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