Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dritte Leben

Das dritte Leben

Titel: Das dritte Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
Vom Netzwerk:
Nabels. Sie bleiben dann bei Bewußtsein, und ich kann immer noch mit Ihnen reden, und Sie werden schön langsam sterben. Verlassen Sie sich darauf, ich bin ein guter Schütze.«
    »Sie wagen es nicht!«
    »Wenn Sie noch einen Schritt tun, können Sie es ja ausprobieren.«
    Wiegand blieb stehen.
    »Setzen Sie sich«, befahl Berglund.
    Wiegand ließ sich langsam in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch nieder. Sein Blick glitt über die blankpolierte Platte. Der Brieföffner lag da.
    Berglund lächelte. »Geben Sie sich keine Mühe, Wiegand, ich bin in jedem Fall schneller als Sie. Lassen Sie den Unsinn, wenn Sie mit heiler Haut hier rauskommen wollen.«
    In einer halben Stunde kommt Irene, dachte Wiegand. In einer halben Stunde bin ich gerettet!
    Aber im gleichen Moment dachte er auch daran, daß Berglund niemals mit Irene zusammentreffen durfte.
    »Was wollen Sie – Geld, oder was?«
    »Geld!« Berglund verzog den Mund. »Ich will Sühne für das, was Sie Alexa angetan haben. Für das, was Sie mir angetan haben, und dem Kind, Renate Gertner.«
    »Ich habe nicht –«
    »Reden Sie doch kein dummes Zeug«, fuhr Berglund ihn grob an. »Meinen Sie denn, ich käme von Berlin nach München, um an Sie auch nur eine Sekunde meiner Zeit zu verschwenden, wenn ich nicht wüßte, wovon ich rede?«
    Wiegand schwieg. Er rieb die Finger gegeneinander, spürte, daß die Kuppen pelzig waren.
    Irgendwo registrierte es kühl in seinem Hirn: Du stehst vor einem Kreislaufkollaps.
    »Ich bin krank«, murmelte er, »ich darf mich nicht aufregen.«
    »Ach nee.« Berglund lachte fast amüsiert auf. »Das ist mir neu. Spielen Sie mir nichts vor. Sie sind genausowenig krank wie ich.«
    »Was wollen Sie?« wiederholte Wiegand.
    »Ich weiß, daß Ihre Frau Sie in einer halben Stunde hier abholt. Ich will nichts anderes, als auf Ihre Frau warten. Und ich will nichts anderes, als daß Sie ihr selbst erzählen, was damals geschehen ist. Von der ersten Minute in Ihrem Krankenhaus in Elbing, als Sie Alexa zum ersten Mal sahen, bis zur letzten Minute auf dem Bahnsteig in Oldenburg, als Sie sie im Stich ließen.«
    Er wußte es! Wußte alles!
    »Niemals!« stieß Wiegand hervor. »Alles Lüge. Alles zusammengetratschtes Zeug. Ja, ich habe eine Alexa gekannt, aber ich habe nie gewußt, daß sie verheiratet war.«
    »Es gibt eine Zeugin«, sagte Berglund kalt. »Frau Gertner.«
    Wiegand biß sich auf die Lippen. »Lüge«, stieß er dann hervor.
    »Alle lügen, nur Sie nicht.« Berglund lächelte spöttisch. »Also – Sie erzählen Ihrer Frau alles – vom ersten Wort bis zum letzten, von der erste Silbe bis zur allerletzten.«
    »Oder?«
    »Oder ich mache einen Skandal, den Sie sich kaum leisten können.« Berglund sah sich in dem luxuriös eingerichteten Arbeitszimmer, dem Vorzimmer des Labors, um. »Sie wollen das alles doch nicht aufs Spiel setzen, oder?«
    »Gar nichts – gar nichts wird man Ihnen glauben.« Wiegand bewegte abwehrend seine Hand, aber sie zitterte. »Ich bin ein angesehener Mann in München. Wer sind Sie? Ein Garnichts – ein Niemand.«
    »Daß ich nicht lache«, sagte Berglund trocken. »Sie sind zu einseitig gebildet, mein Lieber. Rufen Sie die nächstbeste Zeitung an und fragen Sie, ob man dort den Strafverteidiger Berglund aus Berlin kennt.« Seine Lippen kräuselten sich fast mitleidig. »Der große, einsame Professor und seine Forschungen. Scharf auf den Nobelpreis.« Er hob die Hand, als Wiegand etwas sagen wollte. »Schweigen Sie, ich bin informiert. Besser informiert, als Sie denken.« Er sah sich nach einer Sitzgelegenheit um, zog sich einen Sessel heran. Lässig legte er die Pistole auf den Schreibtisch – fast in Reichweite von Wiegand, aber nur fast.
    »Also – entweder Ihre Frau erfährt alles, allein, von Ihnen hier unter vier – pardon, sechs – Augen, oder die Öffentlichkeit erfährt es. Was dann aus Ihrer Karriere wird –« Berglund hatte ein Streichholz angerissen, um seine Zigarette anzuzünden. Wie zur Bekräftigung seiner Worte blies er es mit einem pfeifenden Atemstoß aus.
    »Ich werde meiner Frau kein Wort sagen.«
    Berglund schaute gelangweilt, wie es schien, auf seine Armbanduhr. »Sie haben ja noch gut eine Viertelstunde Zeit, es sich zu überlegen.«
    Wiegand verkrampfte seine Hände ineinander. Die Gedanken jagten durch seinen Kopf. Ich muß es Irene erzählen. Nachher werde ich behaupten, es war alles Lüge, er war ein Wahnsinniger, ein Eifersüchtiger, ein pathologischer Fall, er

Weitere Kostenlose Bücher