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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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Sie an einem solchen Projekt arbeiten, vor solchen Zwischenfällen wie dem im Flugzeug geschützt zu werden? Wir könnten Ihnen einen Leibwächter zur Verfügung stellen – selbstverständlich einen unsichtbaren.“
    „Ich brauche keinen Schutz, weder Ihren noch irgendeinen anderen“, sagte ich. „Ich möchte nicht von einem anderen Wagen verfolgt werden, wie Sie es mit diesem Fiat vom Flughafen aus taten. Warum ziehen Sie den unsichtbaren Leibwächtern keine roten Jägerjacken an, um sie noch unsichtbarer zu machen? Ich bin nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten – und nicht um gestört, belästigt oder bespitzelt zu werden. Ist das klar?“
    Gobel erhob sich. „Sie sind natürlich ein freier Mann. Mein Besuch war in Ihrem Interesse und auch in unserem eigenen, da diese Luftpiraterie über Deutschland stattfand, das bisher von solchen gemeinen Verbrechen weitgehend verschont geblieben ist. Vermutlich werden wir das Motiv aus dem Mann herausbekommen, den wir festhalten.“
    Er sah verlegen aus, als wollte er etwas sagen, ohne recht zu wissen, wie er es ausdrücken sollte. Er wandte sich zur Tür. „Wir wissen nur, was Recht und was Unrecht ist“, philosophierte er naiv, „aber zwischen dem Wissen und dem Danachhandeln klafft ein breiter Spalt. Wenn wir alle in unseren Handlungen ehrlich wären und unsere Motive nicht verbergen würden, Dr. Bolt, so befände sich die Welt nicht in solchen Schwierigkeiten.“
    „Daran arbeite ich.“ Ich beging den Fehler, auf diese Suggestivbemerkung zu antworten.
    „Wie weit sind Sie mit Ihren Forschungen?“ fragte er. Ich erwiderte nichts mehr und ein schlaues Lächeln huschte über sein Gesicht, als er mit seinen drei Bleistiften und dem Notizblock abzog.
    Ich schaute auf meine Uhr. Ich hätte schon oben an der Himmelsleiter sein sollen, wo Astrid auf mich warten wollte.
     

8
     
    Als ich das Ende der Treppe erreichte, die zur Elbchaussee führte, startete Astrid den Volvo und stieß die Wagentür für mich auf. Sie hatte das Haar straff zu einem Knoten am Hinterkopf zurückgekämmt, was ihre Backenknochen hervortreten ließ und ihrem Gesicht ein strenges Aussehen verlieh.
    „Entschuldigen Sie bitte, aber ich wurde aufgehalten“, sagte ich. „Ich wollte, Sie hätten mir Ihre Telefonnummer gegeben, dann hätte ich Sie verständigen können, daß Sie mich später abholen sollen.“
    „Ich warte gern, es läßt mir Zeit zum Arbeiten“, sagte sie und schaltete ein Tonbandgerät an. Ich hörte ihre Stimme mit dem schwedischen Akzent: „Gesellschaftliche Isolierung aus der Sicht psychischer Hygiene.“ Sie schaltete das Tonbandgerät aus.
    „Das ist das Thema meiner Doktorarbeit. Ein schwerfälliger Titel, aber schwerfällige Titel klingen gewichtiger.“ Sie lachte, und wir fuhren los.
    „Machen Sie immer Aufnahmen im Auto?“
    „Für mich hat der Tag nicht genügend Stunden. Ich benutze jede freie Minute, und nehme beim Fahren viel auf. Oder ich höre mir Aufzeichnungen medizinischer Vorlesungen an. Diese Bänder sind teuer, aber man kann sie jetzt auch leihen.“
    „Konzentrieren Sie sich auf die Bandwiedergabe oder aufs Fahren?“ fragte ich vorsichtig.
    „In Ihrer Gesellschaft schalte ich es nicht an, es sei denn, um Ihre unsterblichen Worte aufzunehmen.“
    Sie fuhr langsam, offenbar um mir einen Gefallen zu tun.
    „Benutzen Sie es nicht, wenn ich im Wagen sitze“, sagte ich ärgerlich.
    „Zumindest nicht ohne meine Erlaubnis.“
    „Ganz wie Sie wollen“, sagte sie spöttisch. „Ich hatte gehofft, Ihre Ansichten über Reizisolierung zu erhalten. Ich erforsche das Problem extremer gesellschaftlicher Isolierung als auslösenden Faktor für Geisteskrankheiten. Das ist meine These. Was meinen Sie dazu?“
    Sie fuhr noch langsamer, um die Zeit zu verlängern, die ich in ihrem Wagen gefangen saß.
    „Sehr interessant, aber nicht mein Gebiet.“
    „Alles ist Ihr Gebiet, Dr. Bolt. Alles“, sagte sie ernst. „Meine Doktorarbeit ist hauptsächlich eine Sammlung von fachmännischen Meinungen über dieses Thema, die ich zu einer These zusammenstelle.“
    „Welcher Fachmänner? Wie viele gibt es?“ fragte ich.
    „Hundert, tausende“, sagte sie. „Ich interviewe Leute, die in Konzentrationslagern saßen oder gezwungen waren, auszuwandern. Sie liefern mir Material.“
    „Und Ihre Versuchskaninchen finden Sie sicher in der Klinik“, sagte ich, denn mir fiel ein, daß ich in einem noch immer geteilten Land war, das unter dem Widerhall eines seit

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