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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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schrie er und stellte sich hastig vor mich. Drei andere Männer erschienen in der Tür. „Es ist in Ordnung, Martin!“ Ich sah, daß der Mann vom Empfangspult, einen Hammer in der Hand, dicht hinter mir stand. Sein Gesicht war verzerrt. „Gib mir den Hammer“, sagte Bauer mit Autorität und nahm ihm den Hammer ab. Seine Stimme senkte sich um eine Oktave und verlor ihren Befehlston. „Geh zu deinem Pult zurück. Dieser Mann hier ist ein Freund von mir, er ist in Ordnung, er besucht mich nur. Bald geht er wieder. Vielen Dank für deine Beschützung. So, geh nun zurück.“
    Den Blick weiterhin auf mich gerichtet, ging der Mann zurück. Er war mit dem zweiten Aufzug, dessen Tür noch offen stand, nach oben gefahren. Wir warteten, bis die Aufzugtür sich hinter dem Mann geschlossen hatte.
    „Was für ein aufregender Empfang“, sagte Bauer mit tiefem Baß und lachte entwaffnend. „Kommen Sie doch bitte herein, Dr. Bolt.“
    Ich trat in einen luftigen Raum. Die Fensterwand bot Ausblick auf den Innenhof der Klinik, unten reihten sich Backsteinbaracken. Ich hörte das Aufprallen von Tennisbällen auf einem Platz, den ich nicht sehen konnte.
    Drei Männer waren im Zimmer anwesend. Ausdrucklose Diplomatenaugen betrachteten mich verstohlen durch dicke Brillengläser.
    „Dr. Wilhelm, Chef der psychiatrischen Station.“ Bauer stellte mich vor und legte den Hammer auf einen Tisch.
    Wilhelm schien erregt zu sein.
    „Ich finde, daß Martin nicht diesen Posten haben sollte. Man kann ihm noch immer nicht trauen.“
    „Er hat sich in den letzten sechs Wochen tadellos benommen“, sagte Bauer. „Er hätte Dr. Bolt nichts zuleide getan.“
    „Wir sollten ihn lieber auswechseln“, sagte Wilhelm. „Dann begreift er, daß er etwas Unrechtes getan hat.“
    „Und damit verzögern wir seine Heilung“, ergänzte Bauer mit einer breiten Geste seiner großen weißen Hände. „Aber es ist Ihre Abteilung, Wilhelm. Ich bitte Sie um Verzeihung, Dr. Bolt.“
    „Ich bin ja noch am Leben“, sagte ich, denn ich spürte, daß er peinlich berührt war.
    „Sicherlich haben Sie schon von Dr. Nemeth und seiner Arbeit über Gefühlsauswirkungen auf psychomotorisches Verhalten gehört.“ Bauer zeigte auf einen großen, schätzungsweise fünfzigjährigen Mann, der mich aus starren Augen beobachtete, als nähme er mir meinen Besuch übel. „Er kommt aus Rumänien und verbringt hier auch ein Studienjahr.“
    Nemeth betrachtete mich mit steinernem Gesicht. Sein Mund, lippenlos wie der einer alten Frau, erinnerte mich an Kubatschew, so daß ich sofort auf der Hut war.
    „Und das ist Dr. Magnussen, der Ihnen assistieren wird“, schloß Bauer.
    „Wenn Sie mich gebrauchen können“, sagte Magnussen. Er war jung, bärtig, hatte die makellose Haut eines Mädchens, setzte aber schon einen kleinen Bauch an.
    Bauer bot mir einen Stuhl an, wir setzten uns. Astrid hatte uns verlassen. Unser Gespräch verlief wie ein chinesisches Ritual, bei dem Sätze nach einem vorgeschriebenen Kodex ausgetauscht werden. Rückblickend weiß ich nun, daß ich die Marionette war, an deren Fäden Bauer zog. Die Art, wie er mich behandelte, war – bis auf den Zwischenfall mit dem paranoiden Mann vom Empfangspult – sorgfältig ausgearbeitet, wie eine Choreographie. Ich wußte nicht, daß ich derjenige war, der manipuliert wurde.
    „Dr. Nemeth und Dr. Wilhelm arbeiten auch über den Schlaf, aber unser Zugang zu menschlichen Versuchspersonen ist noch eingeengter als Ihrer in den Vereinigten Staaten. Leider werden Sie hier viele Begrenzungen vorfinden. Die dunkle Wolke der Experimente mit Insassen von Konzentrationslagern hängt immer noch über uns. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Wir dürfen im Gegensatz zu Ihnen keine Häftlinge benutzen, die sich unseren Tests freiwillig zur Verfügung stellen.“
    Ich erwiderte nichts, denn ich wollte abwarten, wie weit er seinen Groll gegen menschliche Gesetze enthüllen würde, die seine wissenschaftliche Neugier behinderten.
    „Natürlich streiten Sie in den Vereinigten Staaten solche Experimente ab“, sagte Wilhelm, „obwohl ich viel darüber gelesen habe. Über die Einpflanzung von Elektroden in menschliche Gehirne, über die Versuche mit neuen Medikamenten bei völlig gesunden Menschen.“ Er verschleierte seinen Neid oder vielleicht war er tatsächlich gegen wissenschaftliche Experimente, obwohl ich das nicht mit Sicherheit feststellen konnte.
    „Uns helfen Krankenhäuser, mit denen wir in ständiger Verbindung

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