Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
Vom Netzwerk:
wich mir nicht aus dem Sinn. Ich dachte daran, Löffler anzurufen, und ihn vor dem potentiellen Mörder zu warnen, aber Nemeths Phantasien waren das Ergebnis seiner Verzweiflung. Ich konnte nicht entscheiden, wie ernst seine Absicht war.
    „Jede weitere Diskussion ist sinnlos“, sagte ich zu Kubatschew. „Ich habe Ihnen meine Antwort klipp und klar gegeben. Setzen Sie Ihre Forschungen ruhig fort, aber erwarten Sie keine Hilfe von mir.“
    Ich ging zur Tür und litt unter der Überzeugung, Kubatschew zum Tode verurteilt zu haben. Ich hätte ihn vor Nemeths Absicht warnen sollen. Astrid folgte mir.
    „Astrid, bleiben Sie hier!“ rief Magnussen ihr mit einem hysterischen Beiklang in der Stimme nach. Er spürte die drohende Gefahr, die unsere heftige Auseinandersetzung heraufbeschworen hatte, aber er konnte sich nicht vorstellen, welche Gewalttätigkeiten diesen Konflikt beenden sollten.
     

22
     
    „Erlauben Sie mir, Sie nach Hause zu fahren“, sagte Astrid. „Setzen Sie mich ruhig beim nächsten Taxistand ab.“
    Wir fuhren an der Portierloge vorbei und verließen das Klinikgelände. Tief verstört durch meine Begegnung mit Kubatschew schwieg sie.
    „Wollen Sie mir keine Fragen stellen?“ fragte sie schließlich, denn sie spürte, daß die abstrakte Auseinandersetzung im Labor eine Bedeutung hatte, die ihr entgangen war.
    232 hatte seine Wirkung verloren. Ich war in dem Augenblick aufgebrochen, in dem mein übersinnliches Wahrnehmungsvermögen zu funktionieren aufhörte. Irgendwie fühlte ich mich erleichtert, denn es war unmöglich, sich zu entspannen, solange 232 seine stimulierende Wirkung auf die Neuronen ausübte. Ich konnte Astrids Gedanken nicht lesen und wollte es auch nicht. Die von 232 verursachte überstarke Anregung hatte mich erschöpft.
    „Ich wüßte nicht, was ich fragen sollte“, sagte ich.
    „Ich wußte nicht, daß Kubatschew in der Stadt war“, sagte sie, während sie einen dunkelgrünen Park entlangfuhr, über den der Mond sein durchsichtiges weißes Tuch breitete. „Ich hatte ihn bisher nicht persönlich kennengelernt, obwohl ich seinen Namen schon von Bauer und Wilhelm gehört hatte.“
    „Das hatte ich angenommen“, erwiderte ich, um ihr entgegenzukommen, obwohl sie log.
    Sie konzentrierte sich auf das Fahren, denn sie kannte meine Abneigung gegen ihre sinnlose Raserei.
    „Dort ist ein Taxistand“, sagte ich.
    Sie überhörte es.
    „Ich habe Zeit“, sagte sie, nachdem wir die Reihe der Taxis hinter uns hatten. „Heute abend hat meine Freundin die Wohnung für sich.“
    Ich lehnte mich nach hinten und schaute aus dem Rückfenster. Niemand folgte uns. Waren Löfflers Männer auf der Hut? Wo steckte Gobel? Vielleicht war Astrid der abends auf mich angesetzte Spitzel? Ich glaubte ihr nicht, daß sie Kubatschew noch nie getroffen hatte. Inzwischen vermochte ich die verschiedenen Fäden des Netzes, das um mich gesponnen wurde, nicht mehr zu unterscheiden.
    „Hatte Kubatschew hinsichtlich Ihrer Forschungen über Gedankenübertragungen recht?“ fragte sie naiv. Ich wußte, daß sie einen ganzen Stapel von Fragen auf Lager hatte, die sie der Reihe nach auf mich abfeuern wollte.
    „Sie haben mit mir zusammengearbeitet – hinter was war ich Ihrer Meinung nach her?“
    „RAB-Schlaf, Stimmungskontrolle. Aber ich habe mich gefragt, was Sie mit Madame Dolores vorhatten.“
    Sie fühlte sich betrogen. Niemand hatte sie ins Vertrauen gezogen, außer Swen.
    „Lassen Sie das“, sagte ich. „Es ist nur eine Vermutung Kubatschews, daß ESP möglicherweise etwas mit meiner Arbeit zu tun hat.“
    „Irrt er sich denn?“ fragte sie.
    „Das kann ich nicht beantworten. In der Wissenschaft ist alles möglich, und, wie Sie wissen, steht alles irgendwie in Beziehung zu allem anderen. Lassen Sie Kubatschew feststellen, ob es einen Zusammenhang zwischen Stimmungskontrolle und ESP gibt.“
    Sie fuhr an ihrem Haus vorbei, ohne ihm einen Blick zu gönnen. In der Mansarde brannte kein Licht; vielleicht schlief ihre Freundin schon, aber Astrid hatte sich in den Kopf gesetzt, bei mir zu bleiben.
    „Darf ich ein paar Minuten zu Ihnen kommen?“ fragte sie, als wir an der Himmelsleiter hielten. „Ich möchte noch nicht nach Hause. Gehen Sie, wenn Sie sich aufs Ohr legen wollen, ruhig ins Bett und vergessen Sie mich. Ich werde mich mucksmäuschenstill verhalten.“
    Ein Junge hätte das zu einem Mädchen sagen können. Sie nahm meine Hand, als wir die dunklen Stufen zur Övelgönne hinabstiegen und

Weitere Kostenlose Bücher