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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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entwickeln vermochten, zu eliminieren, klug gewesen.
    Auch mich quälten ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Fortsetzung meiner Forschungen. Sollte ich wie ein Soziologe denken und den Wert der Entdeckung gegen die potentiellen Gefahren für die Menschheit abwägen? Das hatte Nemeth getan, das Ergebnis war sein Tod gewesen. In gewisser Weise hatte 232 ihn umgebracht. Er war zu spät gekommen. Der richtige Zeitpunkt, mich und mein Wissen loszuwerden, wäre in den Tagen nach seinem Erlebnis in der Isolierzelle gewesen, ehe ich die Verbindung und ein stabiles Derivat präpariert hatte. Jetzt war es zu spät – sowohl für ihn als auch für mich. Kubatschew würde weitermachen, solange er lebte. Ich konnte nichts tun, um ihn davon abzuhalten; mich zwang nicht die Verzweiflung. Ich war kein Mörder!
    Ich schlief ein und wachte erst auf, als das Telefon klingelte. Es war Löffler, der mir sagte, er werde in zwanzig Minuten im Frühstückszimmer des Hotels sein. Ich zog mich an und rief Astrid an, um festzustellen, ob sie sich von ihrem Schrecken erholt hatte. Helga meldete sich. Astrid, sagte sie, schliefe noch. Ein Arzt habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Ich sagte Helga, sie solle sie nicht wecken, ich würde später noch einmal anrufen. Dann ging ich zu Löffler in das luftige, allseitig von großen Glasscheiben eingefaßte Frühstückszimmer.
    Jovial und entspannt bestellte er ein ausgiebiges Frühstück, das er mit großem Appetit vertilgte. Ich fühlte keinerlei Wirkung des 232 mehr. Ich war auf mich gestellt und litt wie ein Rauschgiftsüchtiger während der Entziehung. 232 machte süchtig, ich beschloß, es nur noch in Notfällen zu benutzen, zumal mir bloß ein Rest im Zerstäuber verblieben war. Von Zeit zu Zeit stellte ich erstaunt fest, daß mein Verstand sich ganz unabhängig und ohne bewußten Willen mit verschiedenen Möglichkeiten der künstlichen Herstellung befaßte. Vorhin noch hatte ich mich beim Rasieren dabei ertappt, daß ich mir überlegte, wie sich die Trimethoxybenzyl-Komponente des Moleküls aufbauen ließ und mir die möglichen Produkte der Reaktion und Prozeduren deutlich ausmalte, die angewandt werden mußten, um das Produkt abzusondern, das ich gewinnen wollte. Ich hatte mich auch im Schlaf mit dem Problem beschäftigt, denn mein geschultes Gehirn arbeitete unabhängig von meinem Willen daran weiter. Ich war überzeugt davon, daß dies bei allen Berufen zutraf, da die meisten Probleme unbewußt in dem angeblich schlafenden Gehirn gelöst werden.
    „Ich habe eine Neuigkeit für Sie“, sagte Löffler und füllte sich nochmals den Teller. „Madame Dolores ist in der Ottendorfer Klinik.“
    „Kennen Sie sie?“
    „Nicht persönlich, aber Sie haben sie hingebracht und jetzt ist sie wieder dort.“
    „Wieso ist sie in der Klinik?“
    „Sie wurde von Ihrer Assistentin, Astrid Gunnar, abgeholt und ging bereitwillig mit.“
    Demnach schlief Astrid nicht! Sie hatte Helga beauftragt, mir etwas vorzuschwindeln!
    „Sie stellen mit ihr sicher das gleiche Experiment an wie ich seinerzeit“, sagte ich. Kubatschew arbeitete, wie ich vermutet hatte, schnell.
    „Ich weiß nicht, was für ein Experiment das war. Diese Dame von Ihnen hat sich erstaunlich rasch erholt. Dr. Wilhelm rief sie heute morgen um acht Uhr an, und sie ist sofort losgefahren.“
    „Wilhelm ist ihr Vorgesetzter, sie ist ihrer Stellung wegen von ihm abhängig“, sagte ich, um all diese Ereignisse normal klingen zu lassen und das Geheimnis der ESP-Experimente zu hüten.
    „Das nahm ich auch an. Pflegte sie Sie nicht morgens abzuholen und zur Klinik zu bringen?“
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen! Astrid war zu Wilhelm, Magnussen und Kubatschew gegangen, um hinter meinem Rücken Experimente mit Madame Dolores anzustellen! Ich rief mir das Bild von uns ins Gedächtnis, daß 232 in meinem Geist heraufbeschworen hatte – jene gespenstische stellvertretende Liebesszene!
    „Ja, aber sie spielt jetzt nicht mehr meine Chauffeuse“, sagte ich. „Wollen wir den Gefangenen aufsuchen?“
    Es hatte keinen Sinn, zur Klinik zu fahren; ich vermochte den Fluß der Ereignisse nicht mehr aufzuhalten.
    „Schön, gehen wir.“ Löffler unterschrieb beide Rechnungen. „Spesen“, erklärte er. „Man gebe mir zehn Mark pro Tag plus Spesen und ich bin zufrieden.“
    Ein Mercedes 280 wartete am Bordstein auf uns.
    „Ich würde vorschlagen, daß Sie in die Vereinigten Staaten zurückkehren“, sagte Löffler ruhig. „Ich weiß nicht, wie

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