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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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lange es mir noch möglich ist, Sie hier zu beschützen, da ich keine Ahnung habe, wer hinter Ihnen her ist.“
    „Sie sind einer davon. Sie möchten mich loswerden“, sagte ich, „wenn ich fort bin, sind Sie nicht mehr für meine Sicherheit verantwortlich. Deshalb wollen Sie, daß ich abreise.“
    „Ganz recht!“ Er zwang sich zu einem Lachen. „Aber andere Leute interessieren sich auf für Sie.“
    „Wer?“ Mir mißfiel seine bewußte Geheimniskrämerei, wo doch mein Leben auf dem Spiel stand.
    „Hat sich Ihr Generalkonsulat mit Ihnen in Verbindung gesetzt?“
    „Wissen Sie das nicht, da Sie doch die Anrufe überwachen?“
    „Das stimmt.“ Löffler amüsierte sich. „Sie haben heute morgen das Haus in der Övelgönne angerufen; sie wußten, daß Sie dort wohnen. Mein Kollege hat natürlich Ihre jetzige Adresse verschwiegen. Wenn Sie wollen, können Sie sich mit ihnen in Verbindung setzen.“
    „Nein.“
    „Na gut. Und ich gebe ihnen die Adresse auch nicht, es sei denn, Sie wollten es so.“
    Wir fuhren durch die Stadt. Der Fernsehturm tauchte in der Ferne auf. Von seiner Plattform aus hatte Astrid mir das Gefängnis gezeigt, ein altes langgestrecktes Backsteingebäude. Alles schien so lange zurückzuliegen – in einer friedlichen Zeit.
     

24
     
    „In diesem alten Gebäude gibt es weder Ratten noch Mäuse“, sagte Löffler, als wir das Direktionszimmer des städtischen Gefängnisses betraten. „Im Krieg war es eine Giftgasfabrik. Es vergaste sie alle und tötet sie immer noch.“
    Durch das Fenster konnte ich den Fernsehturm sehen, wo ich mit Astrid und Gobel gesessen hatte. Wo mochte er stecken? Hatte ich meine Nützlichkeit für meine geheimen Feinde verloren?
    „567 X versteht vielleicht weder Deutsch noch Englisch“, sagte der Gefängnisdirektor. „Wir haben es bei ihm mit Schwedisch, Finnisch, Dänisch und Norwegisch probiert. Er reagiert noch immer nicht. Vielleicht versteht er uns nicht und spricht deshalb nicht mit uns.“
    567 X war die Nummer, die man dem Luftpiraten gegeben hatte.
    Der Gefängnisdirektor hatte die ledrige, verwitterte Haut eines Mannes, der zu lange der unbarmherzigen Sonne ausgesetzt war und stahlblaue Augen, die gewohnt waren, den Horizont abzusuchen. Von Gobel hatte ich erfahren, daß viele Offiziere aus Hitlers Heer staatliche Posten erhalten hatten, die sie der übrigen Bürokratie fernhielten. Offenbar litten immer noch viele Leute grausam unter den Nachwirkungen des vor Jahrzehnten beendeten Krieges. Dieser Mann hätte ohne weiteres ein U-Bootkapitän gewesen sein können.
    „Wäre möglich“, räumte Löffler ein. „Aber mit welcher Sprache sollten wir es versuchen, um uns verständlich zu machen?“ Die Frage war an mich gerichtet.
    Ich konnte ihm nicht sagen, daß ich überhaupt keine Sprache benutzen wollte. Ich hatte erkannt, daß Gedanken nicht auf einer Sprache beruhen. Im Gegensatz zur allgemeinen Ansicht denkt man nicht in Englisch oder Französisch oder in irgendeiner anderen Sprache. Das Gehirn formt auf seine unerforschte und vielleicht unerforschliche Art Ideen, die unabhängig von Lauten oder einem Wortschatz sind. Sogar wenn der Gefangene Chinese und seine Muttersprache mir unbekannt wäre, würde er in einem Muster denken, das mein Verstand würde verstehen können.
    „Sie gehen ein großes Risiko ein“, sagte der Gefängnisdirektor. „Ich bin sicher, daß der Mann gewalttätig ist.“ Er wollte nicht, daß ein Fremder seinen Gefangenen sah.
    Ich hatte mein drittes Ohr aktiviert, als wir das Gebäude betreten hatten. Ich stand unter der vollen Wirkung von 232 und mußte mein Gefühl der Allmacht und falschen Euphorie unter Kontrolle halten, einen aufwallenden Trieb, meine Überlegenheit über diese beiden Männer auszunutzen, deren Verstand ich kannte. Ich wußte so deutlich, was sie dachten, als hätten sie es ausgesprochen.
    Das Verhätscheln dieses Verbrechers ist reine Zeitverschwendung, dachte der Gefängnisdirektor. Sein Verstand verwünschte nicht nur mich, sondern belegte auch Löffler mit unflätigen Schimpfwörtern. Er hatte vor, an diesem Abend in die Zelle des Mannes zu gehen und ihm mit seinen eigenen Methoden die Zunge zu lösen.
    „Ich glaube, daß Dr. Löfflers Entscheidung, mich mit ihm sprechen zu lassen, doch wohl wirkungsvoller ist, als ihn körperlich zu foltern“, sagte ich zu dem Gefängnisdirektor, meine Vorsicht vergessend. „Sie können mich zwar verwünschen, aber dieser Mann untersteht immer noch

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