Das dritte Ohr
Löfflers Verantwortung.“
Der Gefängnisdirektor riß entsetzt die Augen auf.
„Es ist nicht so schwierig, Ihre Gedanken zu erraten“, sagte ich. „Sie sind kein guter Schauspieler, Herr Direktor!“
Ich mußte meine Zunge im Zaum halten; noch ein paar derartige Bemerkungen und Löffler würde ein Licht aufgehen. Dazu brauchte nur noch jemand meine ESP-Experimente zu erwähnen. Ich stand hastig auf.
„Wollen wir?“ fragte ich.
Wir folgten einem langen Gang, dessen Wände mit einer düstergrauen Farbe gestrichen waren.
Ein Wärter in blauer Uniform führte uns, blieb schließlich vor einer Eisentür stehen und schaute durch ein Gitterfenster in die Zelle. Ein zweiter Wärter gesellte sich zu ihm.
„Er hat sich nicht gerührt“, sagte er. „Nicht ein einziges Mal in den beiden letzten Stunden.“ Die Tür schwang auf und ich trat in die Zelle, die höchstens drei Meter lang und breit war.
„Soll Sie nicht einer meiner Männer begleiten?“ fragte der Direktor besorgt. Vor ein paar Tagen war einer der Wärter von dem Gefangenen angegriffen worden, als er ihm das Essen brachte.
Ich betrachtete den Gefangenen, der mit geschlossenen Augen auf seiner Pritsche saß und uns scheinbar nicht bemerkte. Es war der Mann mit dem dunklen Teint.
„Wir sollten ihm lieber Handschellen anlegen“, sagte der Direktor und bat Löffler durch einen Blick um Unterstützung. „Nicht nötig“, warf ich ein. Der Gefangene öffnete die Augen ein wenig. „Lassen Sie mich nur mit ihm allein.“
Ein Psychiater, dachte 567 X. Nun haben sie einen Irrenarzt gebracht. Sein Mund wölbte sich zu einem spöttischen Lächeln. Ich wartete, bis die Türe sich hinter dem Gefängnisdirektor, Löffler und den Wärtern schloß. Ich sah ein Augenpaar, das durch das Guckloch in die Zelle starrte und starrte zurück, bis es verschwand.
Obwohl die Augen des Mannes halb geschlossen waren, wußte ich, daß er mich scharf beobachtete. Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf – sich auf mich zu stürzen, dann den Wärtern zu entwischen, sobald sie in die Zelle kämen und durch die langen Korridore und eine weitgeöffnete Tür hinaus auf die Straße rennen. Diese Folge von Vorgängen huschten ihm durch den Sinn.
„Sie werden sich nicht auf mich stürzen“, ging ich auf seine Gedanken ein. „Sie können den Wärtern nicht entwischen, und zu viele verschlossene Türen liegen zwischen Ihnen und der Straße.“
567 X schlug bestürzt die Augen auf.
Zum Teufel mit diesem Mann! dachte er.
„Sie brauchen mich nicht zu verfluchen“, fuhr ich gelassen fort und setzte mich rittlings auf den einzigen Stuhl in der kleinen Zelle. „Möchten Sie nicht auf normalem Weg hier herauskommen? Sie werden Sie solange hinter Schloß und Riegel halten, bis Sie ihnen gesagt haben, was sie wissen wollen.“
Der Mann erstarrte und machte die Augen wieder zu.
„Sie glauben, daß sie Sie in eine Nervenheilanstalt schicken werden, wenn Sie den Taubstummen spielen. Das werden sie aber nicht tun. Der Gefängnisdirektor hat vor, Ihnen heute nacht mit seinen Folterknechten einen Besuch abzustatten, um Sie zum Reden zu zwingen.“
Er reagierte nicht ersichtlich darauf, aber Angst durchfuhr ihn, als das Bild des Direktors und zwei seiner Männer ihm durch den Sinn schoß. Einer der Männer hatte ein Seil in der Hand.
„Ja, zwei seiner Männer, von denen einer ein Seil in der Hand hat“, unterbrach ich seine Gedanken. „Sie glauben, sie würden es nicht wagen, aber die verstehen sich darauf, keine Spuren zu hinterlassen.“
Seine Angst wuchs. Er fürchtete sich vor mir, rührte sich aber immer noch nicht.
„Wie heißen Sie?“ bohrte ich.
Meine Frage entlockte ihm eine stumme Antwort. So wie ein Mann, dem gesagt wird, er dürfe nicht an einen Elefanten denken, sich einen solchen aber nicht aus dem Sinn schlagen kann, dachte der Gefangene gegen seinen Willen an seinen Namen.
Olav Happala – dachte der Mann. Aber das werde ich diesem Bastard nicht verraten. Er wird es niemals erfahren!
„Klingt finnisch – Olav Happala!“ wiederholte ich selbstgefällig und genoß meinen Sieg über einen wehrlosen Gegner. „Sie können, wenn Sie wollen, mit mir reden, aber mir soll es auch recht sein, wenn Sie es nicht tun.“
Dieser Rausch der Macht! Ich war allmächtig! Erst jetzt begriff ich die Euphorie, die zu den letzten Höhen der Erregung führt und ich erlebte diese Übermacht wie einen Orgasmus.
Er kennt mich! dachte Happala. Wo sind wir uns schon einmal
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