Das Duell der Hexen
Du mußt nur sehr vorsichtig sein, Yakup. Dieses Weib ist nicht wie die anderen. Sie steckt mit ihm unter einer Decke. Du weißt, wen ich damit meine?«
»Sicher.«
»Dementsprechende Kräfte hat sie. Und sie besitzt ein Raubtier, das sie gezähmt hat. Einen Panther. Er hält sich oft in ihrer Nähe auf. Sie kann auf dem Tier reiten wie andere auf dem Rücken eines Pferdes.«
Yakup lächelte sanft. Im weichen Licht wirkte sein Gesicht nicht mehr so kantig. »Den Panther können wir vergessen«, erklärte er. »Ich habe ihn besiegt.«
»Getötet?«
»Nein, er war wohl nur bewußtlos. Wenn ich dich richtig verstanden habe, wird Jirica sich wieder an ihn erinnern. Ich muß mich beeilen. Schaffst du es allein?«
»Immer.«
Sehr überzeugend klang das nicht, aber Yakup sah einfach keine andere Möglichkeit. Er konnte Jane nicht mitnehmen. Sie wäre ein zu starker Ballast für ihn gewesen. Und wenn er sich nicht an die Verfolgung dieser Jirica machte, war alles umsonst. Sie hielt die Fäden in der Hand. Nur durch ihr Ausschalten konnte auch dem Terror der weißen Hexen ein Ende bereitet werden.
Er verließ den Raum.
Die anderen Hexen hielten sich noch im Flur auf. Sofern sie nicht an den Treffern zu leiden hatten, standen sie an der Wand und schauten den Mann haßerfüllt an. »Wir werden dich zur Hölle schicken!« kreischte eine und reckte drohend die Faust.
Yakup sagte nichts. Hatten die weiß geschminkten Gesichter mit den rot bemalten Augen vorhin noch schaurig ausgesehen, so wirkten sie jetzt, wo ein Teil der Farbe verlaufen war, fast lächerlich. Die Hexen interessierten Yakup nicht mehr. Er wollte dorthin, wo das Pech aus dem Fenster gekippt werden sollte. Die Treppe war schmaler. Er kam sich vor wie in einem Turm. Auch hatte sich der Flur verengt. Yakup rieb manchmal mit seiner Schulter an der rechten Wandseite entlang.
Im hellen Weiß der Innenmauern wirkte das dunkle Türholz fast wie eine Höhle. Verschlossen war sie nicht. Spaltbreit stand sie offen, und Yakup wurde vorsichtig. Er konnte sich gut vorstellen, daß jemand hinter der Tür lauerte und ihn entsprechend empfangen würde. Er trat die Tür ein. Außer der Wand stoppte sie nichts. Kein Körper hatte sich im toten Winkel befunden.
Dafür sah Yakup jemand am Boden liegen. Und zwar rechts von der Tür, wo sich auch das Fenster befand, das über dem Galgen liegen mußte. Es war eine Frau.
An der hellen Kutte als weiße Hexe zu erkennen. Aber sie war nicht mehr überall weiß. Das kalt und zäh gewordene Pech klebte an einigen Stellen, hatte eine Lache auf dem Boden gebildet — und, was besonders schlimm war, auch den Kopf der Person überdeckt und war dort erkaltet. Yakup hatte mit einigem gerechnet. Daß es so schlimm sein würde, überraschte ihn doch. Er trat sehr langsam an die Frau heran, berührte sie, schob den fast leeren Eimer zur Seite und fühlte nach, ob noch Leben in dem Körper steckte.
Da war nichts zu machen. Die Frau hatte sich das heiße Zeug selbst über den Kopf gegossen, war wohl zunächst ohnmächtig geworden und anschließend erstickt. Yakup sah auch seinen Wurfstern. Er steckte tief in der Wange der Toten und schaute wie ein Mahnmal aus dem Pech hervor.
War das Jirica? Nein, er konnte es nicht glauben. Sie selbst hätte den Eimer niemals geleert. So etwas überließ sie stets anderen. Yakup dachte auch daran, daß er schuld am Tod der Frau gewesen war, aber er hatte gleichzeitig ein anderes Leben retten können. Dennoch blieben die Vorwürfe nicht aus. Der Türke spürte den Durchzug, der kühl über seinen Kopf strich. Er drückte sich wieder hoch und schaute zurück.
Das zweite Fenster hätte er fast übersehen. Es war auch nur mehr eine Luke und befand sich dort in der Wand, wo die Decke eine gewisse Wölbung zeigte.
Yakup ging hin. Er warf einen Blick nach draußen und konnte in den Garten schauen. Aus dieser Position war genau zu erkennen, auf welch einem schmalen Plateau das Haus seinen Platz gefunden hatte. Deshalb war es auch turmartig errichtet worden. Auch der Garten lag an einem Hang, mit einer Steilwand, wo die Treppe begann und Yakup den Panther erlegt hatte.
Sein Gesicht wirkte noch hölzerner, als er genau die Stelle fixierte. Trotz der Finsternis hätte er einen Schatten sehen müssen, die Augen des Türken besaßen eine ausgezeichnete Schärfe.
Da war nichts.
Frei lag die Treppe im Mondlicht tief unter ihm. Yakup fragte sich, ob der Panther wieder erwacht war oder ob ihn jemand mitgenommen
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