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Das Dunkel der Lagune

Das Dunkel der Lagune

Titel: Das Dunkel der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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zu einem unverschämten Grinsen.
      »Du alter Idiot!«, rief Hagen in gespieltem Zorn. »Du bist doch unverbesserlich!«
      »Ich weiß ja, aber warum so grob zu mir, mein Junge, noch dazu, wo du mich wieder aus dem ›Säuferheim‹ geholt hast?«
      Er spielte damit auf die Abteilung im Stadtgefängnis an, in der Alkoholiker auf die harte Tour entwöhnt wurden.
      »Alter Nichtsnutz, du. Wenn ich dich nicht brauchen würde, hätt ich dich da drin verrecken lassen.«
      Die wässrigen Augen funkelten auf. »Wozu denn? Und was springt für mich dabei raus?«
      Hagen ging zum Fenster. »Es wird ein schweres Stück Arbeit. Vielleicht das schwerste überhaupt.«
    »Wie schwer?«
      »Unsere Chance, lebend aus Rotchina herauszukommen, ist höchstens vierzig Prozent.«
      O'Hara nahm einen Schluck aus der Flasche. »Ist das alles? In meinem Alter macht man sich darüber keine großen Gedanken mehr. Mich würd niemand vermissen, das steht fest.«
      »Hör mir mal zu, altes Haus: Wenn du es schaffst, ein paar Tage nüchtern zu bleiben, werden wir dabei nicht draufgehen. Und du wirst genug Geld kriegen, dass du damit zurück in dein Heimatkaff nach Irland gehen und dort im Bett wie ein Gentleman sterben kannst.«
      O'Haras Augen glänzten. »Du nimmst mich doch nicht auf den Arm, oder?« Er sah Hagen beinahe ehrfürchtig an. Das leere Glas fiel ihm aus der Hand. »Du würdest doch einen alten Mann nicht auf den Arm nehmen?«
      Hagen warf einige Geldscheine auf das Bett. »Hier. Mach mal wieder einen Menschen aus dir. Leiste dir ein Bad. Sauf nichts mehr und geh heut Abend früh ins Bett. Morgen früh gehst du dann zum Strandhaus von Charlie Beale. Dort liegt der Kutter. Schau dir die Maschine an.«
      »Kannst dich auf mich verlassen«, beteuerte der Ire.
      Hagen war bereits auf dem Weg hinaus, als ihm noch etwas einfiel. »Vor allem aber eins: Mund halten. Kein Wort zu irgendjemandem. Verstanden?« Der Alte zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Hagen warf die Tür ins kaputte Schloss.
      Seine nächste Station war die Pension. Niemand saß an der Rezeption, als er nach oben in sein Zimmer ging und mit dem Packen begann. Seine gesamten Habseligkeiten brachte er ohne Schwierigkeiten in einem Koffer und einem alten Seesack aus seiner Militärzeit unter. Als er nach unten kam, stand der Pensionsbesitzer hinter dem Schalter und strahlte ihn freundlichst an. Seine Miene veränderte sich jedoch schlagartig, als Hagen die Rechnung verlangte. Hagen würdigte den schmierigen, fetten Chinesen keines Blickes, als er das Geld über den Tisch schob und zur Tür ging. Der Mann lief ihm händeringend nach. »Aber Kapitän, wieso denn? Sind Sie nicht zufrieden? Entspricht der Service nicht Ihren Vorstellungen?«
      Hagen lachte. »Service? Welcher Service denn?«
      Der Chinese zog ihn am Ärmel. »Vielleicht war meine Nichte nicht entgegenkommend genug? Ich könnte mit ihr reden.«
      Hagen ließ sein Gepäck fallen, packte den Mann, wirbelte ihn herum, gab ihm mit aller Kraft einen Fußtritt und beobachtete mit Genugtuung, wie er quer durch die Halle taumelte und über einen Stuhl fiel. Dann nahm er sein Gepäck wieder auf und schritt ein allerletztes Mal durch die Tür der Pension.
      Während er zu Clara zurückfuhr, ging ihm dieser Vorfall nicht aus dem Sinn. Plötzlich sah er eine gewisse Symbolik dahinter. Er hatte nicht nur die Pension ein für alle Mal verlassen, sondern auch alle Spelunken und Absteigen des Hafenviertels. In mancher Hinsicht war die Pension ein Abbild des Lebens, das er lange Zeit geführt hatte. Weil er dort ausgezogen war, hatte er auch dieses Leben beendet. Wenn er erst einmal das Gold in die Hände bekam … aber auch dann, wenn es ihm nicht gelingen sollte, würde er nicht mehr in den alten Trott verfallen können, weil er im Falle eines Scheiterns seines Vorhabens auch nicht lebend zurückkommen würde.
      Dieser Gedanke ließ ihn für den Rest der Fahrt nicht mehr los und jagte ihm eisige Schauer über den Rücken. Als er den Lieferwagen wieder in der Garage abstellte, schwor er sich, sich durch nichts und niemanden von der erfolgreichen Durchführung seines Plans abbringen zu lassen.
      In der Villa war es immer noch ruhig. Er ging hinauf in sein Zimmer, stellte den Koffer und den Seesack ab und schlich dann auf Zehenspitzen in das Zimmer von Rose, um zu sehen, ob sie vielleicht schon wach war. Aber sie schlief noch friedlich, den Kopf in die Armbeuge geschmiegt.

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