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Das Dunkel der Lagune

Das Dunkel der Lagune

Titel: Das Dunkel der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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lebensmüde ist?«
      Charlie zündete sich eine neue Zigarette an. »Der Mann, an den ich denke, ist eigentlich nicht lebensmüde. Genauer gesagt: Er kann sich nicht weigern. Er kann nirgendwohin – und ist von mir abhängig.« Er schlug die Bettdecke zurück und stieg aus dem Bett. »Ein Amerikaner. Marine. Hat in Tokio einen von der MP erschossen und musste untertauchen.«
      Hagen zuckte mit den Schultern »Okay, Charlie. Wenn du willst, dass er mitkommt, dann kommt er eben mit. Wir brauchen dich, um das Gold loszuwerden.« Er ging zur Tür.
      »Moment noch«, rief Charlie. »Ruf mich heut Abend mal an. Dann kann ich dir sagen, ob alles nach Plan gelaufen ist.« Hagen nickte und verließ das Schlafzimmer.
      Als er die Treppe hinunterging, fühlte er sich zufrieden wie seit Jahren nicht mehr, und war überzeugt, eine Glückssträhne erwischt zu haben, in der nichts schief gehen konnte. Er klopfte Harry auf die Schulter. »Komm, Junge, schenk ein. Ich kann einen äußerst zufrieden stellenden Geschäftsabschluss feiern.«
      Harry ging hinter die Bar und goss Whisky in zwei saubere Gläser. »Auf Ihr Wohl, Mr. Hagen.«
      Hagen schob einen Geldschein über die Theke. »Gib mir eine Flasche Rum, Harry. Ich will nämlich zu O'Hara.«
      Harry wusste Bescheid, stellte eine Flasche billigen Rum auf
    die Theke. »Hab gehört, dass O'Hara drei Tage von einer Kneipe in die andere gezogen ist. Der säuft sich noch tot.«
      »Der doch nicht, Harry. Der hat eine eiserne Leber.« Er packte die Flasche am Hals und schlenderte hinaus auf die in der Mittagshitze flimmernde Straße.
      Erst als er vor der Tür zu O'Haras Zimmer stand, fiel ihm ein, dass er gestern den Schlüssel abgezogen hatte. Er versuchte sich daran zu erinnern, wo er ihn hingelegt hatte. Erst nach einer Weile kam er darauf, dass er ihn in die Tasche der Jacke gesteckt hatte, die er auf dem Dach des Lagerhauses ausgezogen hatte. Da kann man nichts machen, sagte er sich, ging einen Schritt zurück, holte mit dem Fuß aus und trat gegen das Schloss. Der alte, morsche Rahmen splitterte, und die Tür knallte gegen die Wand.
      Hagen ging in das dunkle Zimmer, in dem es fürchterlich miefte, stolperte deshalb gleich zum Fenster und riss die Fensterläden auf. Zwei, drei Minuten genoss er die kühle Brise, die vom Hafen herüberwehte, und ging dann zu O'Haras Bett.
      Der Alte lag mit offenem Mund auf dem Rücken. Er hatte nur das Unterhemd an, das Hagen ihm nicht ausgezogen hatte, als er ihn am Abend zuvor zu Bett gebracht hatte. Die schmutzigen, zerknitterten Laken waren auf den Boden gefallen. Hagen hob eines auf, bedeckte damit die Blöße des alten Mannes und setzte sich auf den einzigen Stuhl, der in diesem Zimmer stand. Er fächelte sich mit seinem Panamahut Luft zu und betrachtete den Iren mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu. O'Hara, diesen Sklaven des Alkohols, kannte er seit langem. Bei einigen Männern sind es die Frauen, sinnierte Hagen. Bei O'Hara ist es der Rum, aber das Ergebnis ist das gleiche.
      Er fragte sich, ob es möglich wäre, dass er selbst einmal so tief sinken könnte, als ihn ein langer, durchdringender Seufzer aus seinen Gedanken riss. O'Hara wälzte sich auf seinem Bettlager. Hagen beugte sich nach vorn und sah, dass er ihn
    anstierte.
      Schließlich rieb sich der Alte die geröteten Augen, richtete sich auf und lehnte sich gegen das Kopfende. Er stierte den Besucher noch immer verdattert an. Nun wurde Hagen klar, dass O'Hara ihn nicht erkannte.
      Eine Zeit lang saßen sie schweigend da. Eine Fliege summte an der Decke entlang, aus der Entfernung war Straßenlärm zu hören. Langsam schien O'Hara ein Licht aufzugehen, denn ein Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. »Mark!«, krächzte er. Hagen schraubte die Rumflasche auf und füllte ein dreckiges Glas, das auf dem Boden stand. Die Hand, die nach dem Glas griff, zitterte. Die blauen Venen zeichneten sich deutlich unter der dünnen, pergamentartigen Haut ab. Der Alte schüttete das Glas in sich hinein und griff gierig nach der Flasche. Hagen beobachtete, wie er sich ein zweites Glas einschenkte und es ebenfalls in sich hineinstürzte, anschließend einen lauten Seufzer der Erleichterung ausstieß und sich wohlig zurücklehnte. Mit einem Schlag schien er um zehn Jahre jünger geworden zu sein. Hagen zündete eine Zigarette an und steckte sie ihm zwischen die Lippen. Einen Augenblick sahen sie einander schweigend an, dann verzog sich O'Haras Gesicht

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