Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
Geräusche zu hören, die die ansonsten unheimliche Stille durchdrangen. Da war Musik, deren heiteren Takt ich aus der Lobby wiedererkannte, und fröhliches Geplauder, in dem ich keine einzelnen Worte ausmachen konnte, das mir aber zumindest einen Eindruck von Trubel und allgemeiner Geschäftigkeit vermittelte.
Zum Glück gab es hier, anders als bei den Tunneln unter meinem Zimmer, nur eine einzige Richtung, also ging ich einfach weiter, bis wieder Stille herrschte und ich plötzlich nüchternes Murmeln vernahm, nicht mehr die Stimmen der Gäste, die von der Aufregung des Hotellebens mitgerissen wurden. Der Gang bog nach rechts ab, und ich entdeckte in einiger Entfernung ein ganz schwaches Leuchten. Dort fiel ein schmaler Lichtstrahl in die erdrückende Dunkelheit. Ich kam näher, und das Licht kristallisierte sich eindeutig zu zwei winzig kleinen Öffnungen in der Wand heraus. Als ich weiterging, wurden die Stimmen so laut, dass ich beinahe einzelne Worte ausmachen konnte: Da sprachen ein Mann und eine Frau. Der trällernde, dunkle Tonfall der Frau verriet mir, dass es sich um Aurelia handelte.
Noch ein paar Schritte auf die Mauer zu, und ich konnte erkennen, dass man sie mit zwei Gucklöchern ausgestattet hatte. Ich sah hindurch und fuhr zurück. Dort bot sich mir eine etwas verschwommene Aussicht auf Aurelias Büro. Meine Chefin hatte auf dem kleinen Sofa Platz genommen, und der Mann saß mit dem Rücken zu mir auf einem Stuhl. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, lehnte sich zurück und stützte das Kinn in ihre zarten elfenbeinfarbenen Finger. Irgendwie wirkte sie niedergeschlagen. Er stand auf, ging zu ihr hinüber, setzte sich neben sie und umfasste ihr Kinn mit der Hand, während er ihr in die Augen sah. Es war der Fürst, der Mann von der Gala. »Wir sind sicher, dass sie es ist«, bekräftigte Aurelia. »Sie trägt die Zeichen. Deren Existenz kann ich Euch zusichern, auch wenn sie sie verzweifelt zu verstecken versucht. Und unsere Strategie steht. Wir werden sie auf unsere Seite ziehen, noch bevor sich ihre Kräfte voll entwickeln.«
»Na, bei Lucian haben wir es doch auch noch rechtzeitig geschafft – ebenso wie bei dir, nicht wahr? Unsere Erfolgsbilanz kann sich also sehen lassen.«
»Allerdings.« In ihrem Lächeln schwang nur ein Hauch von Melancholie mit.
»Ich muss dich wohl nicht daran erinnern, dass deine gesamte Zukunft vom erfolgreichen Ausgang dieser Sache abhängt?«, erklärte er streng. »Also wird es eben klappen, so einfach ist das.«
Die Gucklöcher mussten sich in der Wand mit dem Flachbildschirm befinden, aber wo genau? Würde man meine braunen Augen bemerken? Da die Löcher ziemlich klein waren, hielt ich dieses Risiko für eher gering, aber ich würde mir das am nächsten Morgen mal ganz genau von der anderen Seite ansehen, um die Gefahr einer Entdeckung einzuschätzen.
»Wie schlägt sich denn ihr Verehrer so?«, wollte der Fürst mit einer Stimme wissen, die die Luft liebkoste.
»Er scheint weder so mächtig noch so entschlossen zu sein, wie wir gehofft hatten.«
»Na, dann sollte er sich besser schnell anpassen«, erwiderte der Fürst in düsterem Tonfall. »Und das Mädchen?«
»Sie fühlt sich zwar geschmeichelt, ist aber auch misstrauisch. Ganz anders als die anderen. Wirklich merkwürdig.«
»Wirklich überraschend finde ich das nicht, genau deshalb interessiert sie uns doch. Wir dürfen sie auf keinen Fall unterschätzen und müssen auch damit rechnen, dass sie ihre neue Rolle recht schnell akzeptiert«, fuhr der Mann fort.
Auf Aurelias Zügen lag ein Ausdruck, den ich bei ihr noch nie gesehen hatte – er zeugte von Demut und Unsicherheit – sie runzelte die Stirn, senkte den Blick und starrte ins Leere. »Wir dürfen ihr keine Sekunde den Rücken kehren, sonst werden wir noch unterworfen und neigen bald das Haupt vor ihr . Bewahre!«
»Das ist mir bewusst, und ich kann Euch versprechen, dass wir alles in unserer Macht Stehende dagegen tun. Diese Haven ist jetzt schon mächtiger, als wir je erwartet hätten.«
Mir wurde schwarz vor Augen, und ich nahm plötzlich alles – jedes Geräusch, jedes Wort – ganz verschwommen wahr. Ich konnte nur noch hören, wie mein Herz immer schneller schlug, während meine Narben brannten. Es ging hier um mich? Wie kamen die beiden nur auf solche Ideen? Was sollte ich denn ihrer Meinung nach so Schreckliches tun? Und von was für einer Rolle war da die Rede? War es denn möglich, dass solche Kraft in mir steckte? Dass
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