Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
beruflich hier.« Ich hielt die Kamera hoch. »Hey, lasst mich doch eine Aufnahme von euch allen machen.« Ich bat zum Gruppenbild, sie legten den Arm umeinander und rückten zusammen. »Bitte lächeln!« Das taten sie, und ich knipste drauflos. Da ertönte ein neues Lied aus den Lautsprechern, und sie begannen alle, auf und ab zu hüpfen und zu kreischen. Michelle schüttelte wieder den Kopf, so als sei sie die einzig Vernünftige in der Gruppe. »Sagt Bescheid, wenn ihr irgendwas braucht«, sagte ich und genoss es, hier die Gastgeberin spielen zu können, auch nur ein kleines bisschen Einfluss zu haben. »Viel Spaß und – ach ja – könnten Sie Joan vielleicht einfach erzählen, dass wir uns in der Hotelhalle oder so begegnet sind?«, bat ich noch, nur für alle Fälle.
»Worauf du dich verlassen kannst! Es ist so schön, dich zu sehen, Haven. Du fehlst uns in der Klinik wirklich!« Sie nahm mich noch einmal in den Arm und winkte, als ich davonschlenderte und mich auf die Suche nach meinem nächsten Opfer machte.
In der Mitte des Tresors brannte hell der Feuerring. Ich beschloss, dort mal vorbeizusehen, schob mich durch die Clubbesucher und knipste unterwegs weiter. Heute Abend drängte sich dort oben eine solche Menschenmenge, dass die Plattform aus allen Nähten zu platzen schien. So ein Gedränge hatte ich im Feuerring noch nie gesehen – und vor allem nicht so viele neue Gesichter. Ich ließ den Blick wandern und hielt nach jemand ganz Bestimmtem Ausschau, entdeckte Lucian aber nicht. Irgendwie beruhigte mich das. Unser Date und der ganze heutige Abend hatten mich mutiger gemacht, also ging ich die Treppe allein hoch und mischte mich unter all diese zauberhaften Kreaturen, die tanzten, flirteten, tranken und die Blicke der weniger illustren Partygäste unten suchten.
Brust raus, Haven, bewahr wenigstens einmal Haltung und tu so, als würdest du dazugehören.
Ich knipste Dutzende Fotos. Die Syndikat-Vertreter beachteten mich gar nicht, und alle anderen posierten nur zu gern für mich. Ich schob mich durch die Gruppen von jungen Frauen und Männern, die sich gegenseitig musterten und diesen stillen Tanz absolvierten, der entscheiden würde, wer wohl zu wem passte. Ich ließ mich mehrere Minuten treiben, warf noch einen letzten Blick von der Plattform nach unten und kehrte dann auf die Hauptebene zurück, obwohl mich diese Aura und das Leuchten noch immer umgaben.
Ich schlängelte mich an den Rändern der Tanzfläche entlang, um noch eine letzte Runde zu drehen. Insgesamt war ich länger geblieben als geplant, aber komischerweise hatte ich mich hier heute Abend tatsächlich amüsiert. So langsam klang die Benommenheit ab, und ich glühte auch nicht länger, nur das Glücksgefühl war geblieben. Zum Abschied schaute ich noch mal kurz zum Ring hinüber, musste aber direkt zweimal hinsehen – dort saß jetzt nämlich Lucian. Er hielt sich in der Nähe der Bar auf, hatte ein Glas in der Hand und starrte ins Leere. Aus irgendeinem Grund machte ich nicht auf mich aufmerksam. Er wusste ja, dass ich hier sein würde, hatte aber nicht erwähnt, dass er auch kommen wollte. Hatte er vielleicht gehofft, mich hier anzutreffen? Oder sich ganz im Gegenteil gar nicht erst nach mir umgesehen? Ich kämpfte gegen die Versuchung an, mir den tollen Abend zu verderben, konnte Lucians Gesichtsausdruck aber einfach nicht deuten. Während rings um ihn her reges Treiben herrschte, starrte er einfach nur ins Nichts, so als hocke er in seinem eigenen kleinen Kämmerchen.
Ich schlich davon, ging durch die dicke Stahltür hinaus und machte mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Jetzt drängten sich mir wieder all die unbeantworteten Fragen auf. Ich war noch immer so tief in Gedanken und ging die Entwicklungen und Wendungen des Abends durch, dass ich eine Ewigkeit brauchte, um die Schlüsselkarte aus meinem Täschchen zu kramen und durch den Schlitz zu ziehen. Der Flur lag in völliger Stille da, bis auf ein Knistern, das ich nicht einordnen konnte. Das hörte sich beinahe so an, als käme es aus meinem Zimmer, aber das war doch Quatsch. Es klang nämlich wie Wind, der an Fenstern rüttelte, aber so was gab es hier unten ja nicht. Das Schloss klickte, und ich öffnete die Tür. Ein Schrei entfuhr mir, noch bevor ich wirklich begriffen hatte, was ich da sah.
Feuer! Der Raum stand in Flammen, oder zumindest ein Teil davon.
Das Lodern entsprang der Pflanze, die Dante mir gegeben hatte, und schien sie zu verzehren. Eine knisternde
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