Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
blieb in meinem Zimmer und wartete, während Lance zum Ballsaal hochschlich und den Servierwagen hinten aus der Küche holte. Mit etwas Glück würde Dante darauf unter dem Abdecktuch hocken. Lance würde ihn mit dem Aufzug nach unten bringen, an der Rezeption vorbeirollen und ihn in der leeren Capone-Küche abstellen. Dort hatte Dante für seine Aufgabe zwanzig Minuten Zeit, dann musste er sich wieder in den Wagen verkriechen, den ich schließlich zu uns runterfahren würde.
Als schließlich der Moment gekommen war, schaute ich in der Küche auf die Uhr und stellte dann die Gourmet-Sandwiches, die ich im Kühlschrank des Capone entdeckt hatte, auf den Wagen. Falls uns jemand fragte, war das einfach nur ein später Imbiss für Lance und mich. Mit einem Stoffbeutel voller Zutaten rannte Dante vom Alcatraz-Aufzug herbei und schlüpfte unter das Tischtuch. Ich schob mit aller Kraft und brachte ihn in sein altes Zimmer.
Erst dort, in Sicherheit, kam Dante wieder aus seinem Versteck.
»Mission erfüllt!«, verkündete er. Ich drückte ihn, und Lance klopfte ihm auf die Schulter.
»Hast du irgendwen gesehen?«, fragte ich. »Etan? Oder bist du in der Küche jemandem begegnet?«
»Negativ!«, erklärte Dante stolz. »Ich habe das zeitlich perfekt abgepasst. Um diese Zeit ist Etan bei seinen Meetings, oder wohin auch immer er verschwindet, und kümmert sich um die tägliche Ernte.«
»Sucht in der Hölle Zutaten zusammen und wer weiß was noch alles«, fügte Lance hinzu.
»Genau. Also gab es überhaupt keine Probleme. Vor fünf Uhr treten die anderen nämlich nicht an. Die geben dieses Zeug ja über alles, also habe ich die Giftstreuer genommen und mit dem Gegenmittel gefüllt. Und das kam dann auch noch über die Sachen, die da so rumstanden – Teigwaren, Getränke, was auch immer.«
»Gute Arbeit, Mann!«, lobte Lance.
»Danke.« Dantes Blick wanderte durch den Raum. »Schon komisch, wieder hier zu sein. Aber eins kann ich euch sagen, diese Kuh war nicht besonders bequem. Mein Rücken bringt mich um.« Jetzt zog er die Küchenuniform aus.
»Du hast ja auch furchtbar lange darin gesteckt«, bemerkte ich tröstend.
Dante reckte und streckte sich, während Lance mit den Snacks aus der Kneipe ein Festmahl für uns vorbereitete.
»Du hast doch bestimmt einen Mordshunger«, meinte er und schlug die Zähne in ein Pitabrot. Er reichte Dante auch ein Stück.
»Danke. Du, Haven, ich hab da mal eine medizinische Frage.«
»Schieß los.«
»Können Narben sich eigentlich stark verändern?«
»Was meinst du?«
»Na ja, ich bin doch als Kind mal vom Baum gefallen und hatte all diese schlimmen Schrammen.«
»Ich weiß.«
Er drehte sich um, schob sein T-Shirt hoch und zeigte uns seinen nackten Rücken. »Das ist total verrückt, aber die Narben sind plötzlich alle weg, bis auf die an meinem Arm und die beiden hier.« Das stimmte: Die Haut, die von dem Sturz auf Äste und Geröll einst von Striemen übersät gewesen war, war nun fast völlig glatt. Wir hatten hier jemanden vor uns, der zum Schwimmen im Lake Michigan immer ein T-Shirt getragen hatte. Jetzt sah man nur noch zwei tiefe Kerben auf seinen Schulterblättern, und zwar die gleichen wie bei Lance und bei mir. Er war einer von uns. Ich sah Lance an, und der hörte auf zu kauen.
»Wow, ich glaube, es gibt da noch etwas, das du wissen solltest.«
Nach dem heutigen Tag war es eigentlich unmöglich, den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten, aber es fühlte sich beinahe normal an, als wir dort zusammen auf dem Fußboden hockten, unsere Essensbeute vertilgten und Dante mit den Informationen versorgten, die wir noch ausgelassen hatten. Dann feilten wir an unserem Plan, zu dem jeder etwas beitrug. Unser Ziel war es, den Verkauf von möglichst vielen Seelen zu verhindern, das Syndikat zu zerstören und natürlich selbst am Leben zu bleiben. Dante hatte das Gegengift ja schon in die Küche geschmuggelt und würde noch mehr bei sich tragen, um es den Leuten notfalls während der Veranstaltung zu verabreichen. Unser zukünftiger Architekt Lance hatte bereits unglaublich detaillierte Karten von allen Gängen und Tunneln angefertigt und die kürzesten Wege für jeden von uns ausgewählt, damit wir im Laufe des Abends unsere verschiedenen Einsatzorte möglichst schnell erreichten. Er hatte einen Katastrophenplan und verschiedene Fluchtmöglichkeiten für alle Räume und Situationen ausgearbeitet und legte außerdem eine komplette Liste all dessen vor, was am
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