Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
bekommen.« Sie waren ihr offenbar völlig egal. »Ihre Seelen waren leicht zu ergreifen, weil ihnen kaum etwas wichtig war.« Aurelia lehnte sich vor, und jetzt lockte ihre Stimme verführerisch: »Du hingegen bist für Großes auserwählt, Haven. Du wärst eine echte Bereicherung für uns und würdest deshalb auch fürstlich belohnt. All deine Wünsche würden bald in Erfüllung gehen. Du wärst mit mehr Stolz und Schönheit gesegnet, als du es dir je erträumt hast. Frauen werden dich beneiden, Männer sich nach dir verzehren. Und du würdest großen Erfolg haben, es ohne jede Anstrengung weit bringen. Du müsstest dich nicht mehr gegen andere durchsetzen und dir den Kopf darüber zerbrechen, ob sich all die Arbeit auch wirklich lohnt!«
»Wissen Sie, es ist eigentlich ein ganz gutes Gefühl, für seinen Erfolg auch was getan zu haben.«
»Glaub mir, darüber kommst du schnell hinweg.«
»Und was genau sind die Bedingungen?«
»Na ja, du erreichst in Rekordzeit alles, was du dir wünschst. In deinem Fall könnte das vielleicht so aussehen, dass du im Grundstudium als Klassenbeste abschneidest, dann auf eine tolle medizinische Fakultät gehst und deine Ausbildung in einem Top-Krankenhaus machst. Auch dein neues Aussehen wird sich natürlich in jeder Hinsicht positiv auswirken. Wir würden einen Vertrag mit den einzelnen Punkten aufsetzen …«
»Und irgendwann müsste ich dann anderen ihr Leben und ihre Seele nehmen«, unterbrach ich sie.
»Wir nennen es Rekrutierung, und es ist die Gegenleistung für das, was wir dir bieten.«
»Ich könnte also, sagen wir mal, den Krebs besiegen, würde im Gegenzug aber mehr Menschen umbringen, als ich damit rette. Denn so sieht die Rechnung doch aus, oder?«
»Ich weiß gar nicht, warum du dich nur auf das Negative konzentrierst.«
»Ich verstehe einfach nicht, was für mich dabei rausspringt.«
»Denk doch nur an all die Macht! So etwas hast du bis jetzt noch nie verspürt. Es ist einfach berauschend! Und durch deine Herkunft würdest du natürlich über dem Rest des Syndikats stehen.«
»Danke, aber …«
Sie hob wieder die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Ich bin mir nicht sicher, ob du die Konsequenzen eines Neins voll erfasst. Du wirst dich uns entweder anschließen, oder wir stehen auf unterschiedlichen Seiten. Und das kann ich einfach nicht akzeptieren.« Ihre Augen glühten nun, ihr Blick ließ mich erschaudern. Sie stand mit einer eleganten Bewegung vom Stuhl auf und stieß ihn dennoch mit dem Absatz mehrere Meter vom Tisch weg. Ich sprang auf die Füße. Dann stolzierte sie um den Schreibtisch herum und blieb vor mir stehen. Als sie sprach, war ihre Stimme eine Oktave tiefer und klang jetzt mit voller Absicht so lässig und aalglatt, dass mir ganz übel wurde.
»Lass mich dir einen Gefallen tun«, erklärte sie. »Ich akzeptiere deine Antwort jetzt noch nicht, sondern gebe dir noch 24 Stunden Zeit, um zur Vernunft zu kommen. Dann wirst du entweder zustimmen, oder dein Leben ist verwirkt.«
Ich erwiderte nichts und verließ das Büro, so schnell ich konnte.
32
Uns bleibt immer noch
die Metamorphose
A m Abend machte sich Lance auf den Weg zum Requisitenverleih, und ich wartete angespannt, bis er schließlich wieder vor der Galerietür erschien und erklärte, dass alles glattgegangen war. Dann fanden wir uns zum vereinbarten Zeitpunkt im Ballsaal ein, um den großen Kuhtausch zu überwachen. Das ganze Theater entging Beckett und einigen Syndikat-Mitgliedern nicht, die sich im Raum herumdrückten.
»Was soll das?«, blaffte Beckett uns an, als zwei kräftige Typen eine Kuh herein- und die andere wieder hinausrollten.
»Eine Änderung in letzter Minute«, erklärte Lance.
»Das Planungskomitee hat sich jetzt doch für eine gefleckte Kuh entschieden«, fügte ich hinzu. »Was wir zum Glück noch arrangieren konnten.«
»Dann macht aber schnell.«
Lance und ich nickten, während er mit seinen Kumpanen den Saal verließ. Ich sah die gefleckte Kuh an. Mir vorzustellen, wie Dante darin zusammengequetscht war, tat mir in der Seele weh, aber wir hatten ja keine Wahl.
Als wir endlich allein waren, schalteten wir im Ballsaal alle Lichter aus, öffneten die Luke und halfen Dante heraus.
»Ich bin ein echter Schlangenmensch!«, flüsterte er seufzend.
Ich wünschte ihm viel Glück und machte die Tür hinter ihm zu.
Um halb vier morgens, als das ganze Hotel schlief, drückten wir die Daumen und machten uns an den letzten Schritt unseres Plans. Ich
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