Das dunkelste Blau
dem Markt in Bienne gegen Weizen und Ziegen und Schweine und andere Dinge. Hab keine Angst, fleurette , du wirst keinen Hunger leiden.
Etienne und Isabelle waren still. In den Cevennen hatten sie kaum auf dem Markt getauscht: Sie hatten ihren Ernteüberschuß an den Duc de l’Aigle verkauft. Isabelle umklammerte ihren Nacken. Es schien nicht richtig, etwas anzubauen, was man nicht essen konnte.
– Wir haben Küchengärten, versicherte der Bauer ihnen. Und manche bauen Winterweizen an. Habt keine Angst, es gibt genug hier. Schaut euch das Dorf an – seht ihr Hunger? Sind das hier arme Leute? Gott gibt uns genug. Wir arbeiten hart, und Er gibt uns.
Es stimmte, daß Moutier reicher war als ihr altes Dorf. Isabelle nahm eine Sense und ging aufs Feld. Sie fühlte sich, als läge sie im Fluß auf dem Rücken und müßte darauf vertrauen, daß sie nicht untergehen würde.
Östlich von Moutier machte die Birse eine Biegung nach Norden und schnitt durch die Bergkette. Sie floß durch eine Schlucht zwischen hochaufragenden, gelbgrauen Felsen, die an manchen Stellen massiv waren, doch an den Rändern abbröselten. Als Isabelle die Felsen zum ersten Mal sah, wollte sie auf die Knie fallen, denn sie erinnerten sie an eine Kirche.
Der Bauernhof, in den sie einzogen, war nicht an der Birse, sondern an einem Fluß weiter östlich gelegen. Immer, wenn sie nach Moutier gingen oder von Moutier kamen, gingen sie an der Felsschlucht vorbei. Wenn Isabelle allein war, bekreuzigte sie sich.
Ihr Haus war aus einem Stein gebaut, den sie nicht kannten, leichter und weicher als der zu Hause. Es gab Lücken, wo der Mörtel weggebröckelt war, die das Haus zugig und feucht werden ließen. Die Fenster- und Türrahmen waren aus Holz, ebenso wie die niedrige Decke, und Isabelle hatte Angst, daß das Haus abbrennen könnte. Ihr altes Haus war ganz aus Stein gewesen.
Am merkwürdigsten war, daß es keinen Kamin gab; auch die Häuser im Tal hatten keinen. Statt dessen hatte man innen die niedrige Decke eingezogen, der Rauch sammelte sich im Raum zwischen der Decke und dem Dach und drang schließlich aus kleinen Löchern unterhalb der Dachkante nach draußen. Man hängte dort Fleisch zum Räuchern auf, aber das schien auch der einzige Nutzen zu sein. Alles im Haus war mit einer Schicht Ruß bedeckt, und es wurde dunkel und stickig, sobald alle Fenster und Türen geschlossen waren.
Manchmal in diesem ersten Winter, wenn Isabelle ihr Haar in fettiges, graues Leinentuch wickelte oder endlos spann und dabei versuchte, den groben Hanffaden nicht mit ihren blutigen Fingern zu beschmutzen, oder im düsteren Rauch hustend und nach Atem ringend am Tisch saß und wußte, daß der Himmel draußen tief hing und schwer von Schnee war, und auch wußte, daß es monatelang so bleiben würde, glaubte sie, sie müßte verrückt werden. Sie vermißte die Sonne auf den Felsen, den gefrorenenGinster, die klaren kalten Tage, den riesigen Herd der Tourniers, der Wärme ausgestrahlt und den Rauch nach draußen abgeführt hatte. Sie sagte nichts. Sie hatten Glück, überhaupt ein Haus zu haben.
– Irgendwann werde ich einen Kamin bauen, versprach Etienne an einem dunklen Wintertag, als die Kinder nicht aufhörten zu husten. Er sah Hannah an, die nickte.
– Ein Haus braucht einen Kamin und einen richtigen Herd, fuhr er fort. Aber zuerst müssen wir die Felder beackern. Sobald ich Zeit habe, baue ich ihn, und dann ist das Haus fertig. Und sicher. Er sah in die Ecke und vermied Isabelles Blick.
Sie ging hinaus, trat in den devant-huis , einen offenen Platz zwischen Haus, Stall und Scheune, die alle durch das gleiche Dach verbunden waren. Sie konnte dort stehen und hinaussehen, ohne vom Wind weggeblasen oder mit Schnee bedeckt zu werden. Sie atmete die frische Luft tief ein und seufzte. Die Tür ging nach Süden hinaus, aber hier gab es keine freundliche, wärmende Sonne. Sie blickte über die weißen Hügel gegenüber und sah einen grauen Umriß im Schnee hocken. Als sie in den dunkleren Schatten des devant-huis zurücktrat, sah sie, wie die Gestalt in den Wald sprang.
– Jetzt fühle ich mich sicher, sagte sie leise in Richtung von Etienne und Hannah. Und es hat nichts mit eurer Magie zu tun.
Alle paar Tage ging Isabelle den gefrorenen Pfad an den gelben Felsen vorbei zum Gemeinschaftsofen von Moutier. Zu Hause hatte sie ihr Brot immer im eigenen Herd oder im Haus ihres Vaters gebacken, aber hier wurde alles an einem Ort gebacken. Sie wartete, bis die Ofentür
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