Das dunkelste Blau
Hanf bezahle?
– Bien sûr.
Etienne wandte sich an die Frauen.
– Im Frühjahr werden wir einen Kamin bauen, sagte er leise, damit nicht die Schweizer Nachbarn ihn hörten und beleidigt waren.
– Dem Herrn sei Dank, erwiderte Isabelle automatisch.
Er sah sie an, sein Mund verzog sich, und er drehte sich weg, als Pascale zu ihnen kam. Sie nickte Hannah zu und lächelte Isabelle unsicher an. Sie hatten sich einige Male in der Kirche gesehen, aber nie miteinander reden können.
Der Priester, Abraham Rougemont, kam näher. Als er Hannah begrüßte, nutzte Isabelle die Gelegenheit und sprach leise mit Pascale.
– Es tut mir leid, daß ich nicht mehr gekommen bin, um dich zu treffen. Es ist jetzt – schwierig.
– Wissen sie über – über –
– Nein. Mach dir keine Sorgen.
– Isabelle, ich hab das –
Sie hielt nervös inne, denn Hannah war an Isabelles Seite aufgetaucht, hatte den Mund zu einer geraden Linie zusammengepreßt und die Augen auf Pascales Gesicht fixiert.
Pascale kämpfte kurz mit ihrer Unsicherheit und sagte dann einfach: – Gott schütze dich in diesem Winter.
Isabelle lächelte matt.
– Und dich auch.
– Kommt ihr zu uns zwischen den Gottesdiensten?
– Bien sûr.
– Gut. Nun, Jacob, was hast du diesmal für mich, chéri ?
Er zog einen blaßgrünen Stein, der wie eine Pyramide geformt war, aus der Tasche und gab ihn ihr.
Isabelle drehte sich um und ging hinein. Als sie zurückblickte, sah sie, wie Jacob Pascale etwas zuflüsterte.
Nach dem Gottesdienst sagte Etienne zu ihr: – Du und Maman, ihr werdet jetzt nach Hause gehen.
– Aber der Gottesdienst in Chalières –
– Da gehst du nicht hin, La Rousse.
Isabelle öffnete den Mund, schwieg aber, als sie den Blick in seinen Augen sah. Jetzt werde ich Pascale nicht sehen, dachte sie. Jetzt werde ich die Jungfrau nicht sehen. Sie schloß die Augen und drückte die Arme gegen die Schläfen, als erwarte sie einen Schlag.
Etienne nahm sie beim Ellbogen und zerrte sie roh von der Menge weg.
– Geh, sagte er und stieß sie in die Richtung ihres Hauses. Hannah stellte sich neben sie.
Steif streckte Isabelle die Hand aus.
– Marie, rief sie. Ihre Tochter sprang an ihre Seite.
– Maman, sagte sie und nahm die ausgestreckte Hand.
– Nein. Marie wird mit uns in die Kirche gehen. Komm her, Marie.
Marie sah zu ihrer Mutter hoch, dann zu ihrem Vater. Sie ließ Isabelles Hand los und stellte sich in die Mitte zwischen beide.
– Hierher. Etienne zeigte neben sich auf den Boden.
Marie sah ihn aus großen blauen Augen an.
– Papa, sagte sie laut, wenn du mich so schlägst, wie du Maman schlägst, werde ich bluten!
Etiennes Wut ließ ihn größer wirken. Er tat einen Schritt auf sie zu, blieb aber stehen, als Hannah warnend die Hand ausstreckte und den Kopf schüttelte. Er sah die Menge an: Sie war still geworden. Mit einem bösen Blick auf Marie drehte er sich um und ging zu Gaspards Haus.
Hannah wandte sich zu dem Weg, der zu ihrem Hof führte. Isabelle bewegte sich nicht.
– Marie, sagte sie, komm mit uns.
Marie blieb stehen, bis Jacob zu ihr kam und ihre Hand nahm.
Gehen wir zum Fluß, sagte er. Marie ließ sich von ihm wegführen. Sie sahen sich nicht um.
Jacob spielte mit Marie, als sie wegen der Kälte im Haus bleiben mußten, und erfand immer neue Spiele mit seinen Steinen. Er brachte ihr das Zählen bei, und wie man die Steine auf verschiedene Arten sortieren konnte: nach Farbe, Größe, Herkunft. Sie fingen an, die Umrisse von Gegenständen mit den Kieseln zu legen. Sie legten eine Sense auf den Boden und legten Steine um sie herum, nahmen das Gerät dann hoch, so daß nur sein Umriß aus Steinen liegenblieb. Das machten sie mit Rechen, Spaten, Töpfen, der Bank, Kitteln, Hosen und ihren Händen.
– Laß mich deinen Umriß legen, schlug er eines Abends vor.
Marie klatschte in die Hände und lachte. Sie legte sich auf den Boden, und er breitete vorsichtig ihr Kleid aus, so daß die Steine seine ganze Form umgeben würden. Er wählte die Steine sorgfältig aus: Granit aus den Cevennen um ihren Kopf und Hals, weiße Steine um das Kleid, dunkelgrüne für ihre Beine, Füße und Hände. Er war sehr präzise, folgte den Umrissen des Kleides, markierte sogar den Einschnitt an der Taille und die spitz zulaufenden Ärmel. Als er fertig war, half er Marie aufzustehen, so daß sie die Kiesel nicht verschob. Alle bewunderten die Form des Mädchens auf dem schmutzigen Boden. Isabelle sah auf und bemerkte, daß Jacob
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