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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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jeden Gedanken miteinander teilen.«
    »Was haben Sie in der Zeit gemacht, als Ihre Freundin in Amerika war?«, wollte Photini wissen. »In den Sechzigern?«
    »Gelangweilt habe ich mich jedenfalls nicht.« Es klang tiefgründig, als wollte auch Viktoria Brehm ein Reservat für sich beanspruchen, zu dem nur sie Zutritt hatte. »Eva hinterließ eine Lücke, das stimmt. Aber niemand ist unersetzlich.«
    Photini stand auf. »Vielen Dank. Das war eine nette Unterhaltung.«
    »Müssen Sie schon gehen?«
    »Wir verständigen Sie, wenn wir etwas über Eva von Barth in Erfahrung bringen.«
    »Mein Mokka hat Ihnen nicht geschmeckt.« Sie wies auf Photinis halbvolle Tasse. »Ich tue zu viel Zucker hinein, eine alte Gewohnheit.«
    »Behalten Sie die ruhig bei. Ich trinke sowieso zu viel Kaffee.«
    Viktoria Brehm brachte ihren Gast zur Tür. Photini sah das Haus jetzt mit anderen Augen. Es war ein Stück Stadtgeschichte und beherbergte zugleich ein ganzes Leben, wie eine alte Jacke, die immer noch einen guten Schnitt besaß und in deren Taschen sich vergessene Gegenstände fanden, wenn man sie nach Jahren abklopfte.
    Als sie das Wohnzimmer verließ, sah sie ein Porträt an der Wand. Die Fotografie schien aus derselben Zeit zu stammen wie das Bild auf Frau Rosinskys Schreibtisch, mit einem Schmelz, der den Menschen die Aura von Filmstars verlieh. Der Mann war jedoch älter, um die fünfzig. Dünner Schnurrbart, das Lächeln eines Charmeurs, trotzdem distinguiert. »Mein Vater«, sagte Viktoria Brehm. »Heinrich.« Falls Eva wirklich tot war, würde ihr Bild bald daneben hängen, dachte Photini. Bis Frau Brehm starb. Wenn sie keinen Erben hatte, wäre es zu Ende mit der Stilreinheit und den Erinnerungen. Alles würde zerpflückt werden, auf den Müll geworfen, verkauft, je nachdem. Niemand würde sich mehr dafür interessieren.
     
    NACH DER Pause war es Raupach, der seinen Blick ziellos über die Dächer von Deutz gleiten ließ. Satellitenschüsseln, Werbeflächen, handtuchgroße Terrassen, hin und wieder grüne Farbtupfer von Balkonpflanzen, ein Liegestuhl. Das kleine Glück.
    Er zwang sich, den Mann in seinem Rücken für ein paar Augenblicke zu vergessen. Solche Momente waren selten geworden. Der Beruf fraß Raupach auf. Das ging schon lange so. All die Jahre bei der Polizei. Seine sogenannten Erfolge, die dazu geführt hatten, dass ihm seine Frau Clarissa fremd geworden war. Dann der Absturz, nachdem er einen unbewaffneten Mörder erschossen hatte. Trennung, ein übles Jahr der Ungewissheit, dann die Scheidung. Die Zeit im Archiv, in das er strafversetzt worden war, voller Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle. Schließlich die Chance, sich zu rehabilitieren. Das Unglück anderer Menschen, das zufälligerweise gerade er zu deuten imstande gewesen war. Es hatte ihn wieder nach oben gespült, wie die Walze am Fuße eines Wasserfalls. Irgendwann spuckte sie einen wieder aus, tot oder lebendig, nach Atem ringend oder kopfunter. Und da schwamm er nun und sprach mit einem Mann, von dem er nicht wusste, ob er ihm glauben oder ihn für einen Verrückten halten sollte.
    Die Pflicht. Raupach spürte, sein Platz war jetzt eigentlich woanders. Bei seinem besten Freund Felix. Der lag im Krankenhaus und wartete auf ihn. Felix starb. Langsam, auf Raten, ohne Aussicht auf Besserung. Raupach fühlte sich wie ein Regentropfen in einer überlaufenden Dachrinne. Wo fiel er bloß hin?
    »Machen wir weiter?« Schwan setzte sich wieder in Positur. Er war der Mittelpunkt. Wusste es.
    Raupach erstickte seine Gefühle, begrub seine Aggressionen. Das hatte er sich im Laufe der Jahre angewöhnt. Polizist sein. Manchmal hatte er den Eindruck, als käme er den Menschen nicht näher, sondern entfernte sich immer weiter von ihnen. Genauso wie die Mörder, mit denen er es zu tun hatte. Er stieg mit ihnen ein Stück in den Abgrund hinab und traf sie in der Finsternis, die uns alle umgibt. Die Mörder wurden verurteilt und verschwanden im Strafvollzug. Raupach blieb dort unten zurück, auf einem Felsvorsprung. Niemand zog ihn wieder hoch, das musste er selber tun. Häufig tat er es nicht. Der nächste Absturz wartete schon.
    »Was ist los?«, fragte Schwan. »Woran denken Sie?«
    Raupach antwortete nicht. Schwan hatte Oberwasser bekommen. Vielleicht war das gut, weil es ihn unvorsichtig machte. Oder schlecht, weil er sicherer wurde. Oder es war egal, weil er tatsächlich nichts zu verbergen hatte.
    Der Kommissar ordnete seine Unterlagen. Er las eine SMS

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