Das dunkle Erbe
Polizeipräsidentin war. Außerdem gab es nicht viele Gelegenheiten, Heides neuen Dienst-BMW zu testen.
In Deutz fuhren sie auf die A3 Richtung Leverkusen, um von dort aus über die A1 ins Sauerland zu gelangen. Der Pendlerverkehr hatte noch nicht eingesetzt. Es war ein ruhiger Nachmittag, wie geschaffen für eine Spritztour.
»Warum geben wir den Kollegen in Meschede nicht einen Ermittlungsauftrag?«, fragte Höttges.
»Raupach will, dass wir das selber erledigen.«
»Glaubt er, die machen keine gute Arbeit?«
»Er geht davon aus, dass wir sie besser machen.«
»Warum?«
»Weil wir in den Fall eingearbeitet sind.« Photini trat aufs Gaspedal und fuhr die Gänge voll aus. Der Motor heulte auf. »Aber vor allem vertraut er uns. Raupach hält große Stücke auf dich.«
»Das könnte er ruhig mal laut sagen.«
»Seit er wieder das Morddezernat leitet, geht er sparsamer mit seinem Lob um.«
»Muss wahrscheinlich so sein, wenn die Verantwortung wächst.« Der Kommissaranwärter nickte.
»Er ist ernster geworden«, sagte Photini. Sie hatte ihren ersten Stern bereits. War nicht mehr stolz darauf, schämte sich aber auch nicht dafür. »Momentan ist ihm nicht zum Lachen zumute. Was Privates, soweit ich weiß.«
»Schade, oder?«
»Er redet nicht drüber. Und wie ich das finde, ist völlig egal. Ich muss nicht immer meinen Senf dazugeben.« In Wirklichkeit vermisste sie Raupachs versteckte Späße und die enge Zusammenarbeit mit ihm, als sie noch im Archiv waren.
»Gute Vorsätze sind wichtig.«
Photini schaute zu Höttges hinüber und erwischte ihn dabei, wie er auf die Tachonadel glotzte. Sie erhöhte die Geschwindigkeit.
»Haben wir es eilig?« Er stemmte die Beine in den Fußraum. Photini fuhr schneller als Heide, und das wollte etwas heißen. »Ich will lebend im Sauerland ankommen.«
»Keine Sorge. Es gibt hier drin jede Menge Airbags.« Ein Blick auf seinen Bauch, der sich im Sitzen noch stärker über den Gürtel wölbte.
»Fängst du jetzt auch noch an?«
»Warum?«
»Heide liegt mir in den Ohren, ich soll endlich eine Diät machen. Die hat gut reden. Stopft dauernd alle möglichen Dickmacher in sich rein und nimmt einfach nicht zu. Wie macht sie das?«
»Schilddrüsenfehlfunktion.« Photini überholte einen Mercedes, der widerwillig die linke Spur freigab. »Zumindest erzählt man sich das.«
»Finde ich ungerecht.«
»Dafür hat sie ein Alkoholproblem.«
»Hätt ich auch gern, wenn ich das gegen dreißig Kilo weniger eintauschen könnte.«
»Hast du’s mal mit Sport probiert? Überwindung des Trägheitsmoments. Wenn ich im Grüngürtel spazieren gehe, kommt’s mir vor, als würde halb Köln für den nächsten Marathon trainieren.«
»So, wie sie mich dauernd rumscheucht, bin ich froh, wenn ich nicht vor meiner Haustür zusammenbreche.« Höttges versuchte sich einzureden, dass Photini den Wagen unter Kontrolle hatte und das Lenkrad von Kindesbeinen an mit zwei Fingern bediente. Doch dadurch verkrampfte er nur noch mehr.
»Sport geht über meine Kräfte.«
»Dann musst du weniger essen.«
»Funktioniert nicht. Mit einem Loch im Magen kann ich nicht klar denken. Außerdem schleppt mich Heide immer zu diesen Imbissbuden, und dann kommt die Fressattacke, dagegen bin ich machtlos.«
»Wie wär’s, wenn wir regelmäßiger ins Delphi gingen? Ich sag Rula Bescheid, und du kriegst nur noch Salat.«
Höttges lachte schallend, doch nicht sehr hoffnungsvoll. »Das klappt nie. Die tut mir doch immer eine Extraportion auf. Und bei Rula zählt Salat nicht zu den Nahrungsmitteln, sondern zur Tischdekoration.«
Das Delphi gehörte Photinis Familie. Es war ein beliebter Treffpunkt einiger Mitarbeiter der Mordkommission und ein wahrer Tempel für Fleischfetischisten. Rula und Christos importierten das Lamm- und Rindfleisch direkt vom Peloponnes. Wenn man in so ein Steak biss, hörte man die Viecher förmlich in den Olivenhainen herumgaloppieren. Die Fischgerichte waren doppelt paniert, mit frisch geriebenem Weißbrot und einer speziellen Gewürzmischung im Mehl. Niemand sollte auf den Gedanken kommen, dass im Delphi am falschen Ende gespart wurde.
»Gibt’s in der Kantine nicht irgendwas Kalorienarmes?«, versuchte es Photini.
»Vielleicht die Bierdeckel«, gab Höttges zurück. Die Kantine war ein Bermudadreieck für jeden, der abspecken wollte. Der Küchenchef kannte nur einen Befehl: Mach sie satt.
»Schließlich sind wir bei der Polizei und nicht im Sanatorium.« Sie passierten eine
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