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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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schaltete die Taschenlampe an. »Dann suchen wir eben hier. Wenn Schwan den Wald betreten hat, muss er hier durchgekommen sein.«
    »Muss er nicht. Er könnte an jeder beliebigen Stelle reingegangen sein.« Höttges schnaufte vernehmlich. »Wir haben nichts außer der unzuverlässigen Beobachtung des Pensionswirts. Vielleicht war Schwan gar nicht in Föckinghausen. Das hat er doch ausgesagt.«
    »Gibst du immer so schnell auf?«
    Komm mir bloß nicht auf die Tour, dachte Höttges. Doch er gab nur ein Brummen von sich und legte ebenfalls seinen Schutzanzug ab. Er konnte die Dinger nicht ausstehen, schwitzte darin wie ein Stier.
    »Ein Radius von hier bis zur Straße.« Photini stapfte los. Schaute auf den Boden, ob dort irgendetwas liegengeblieben war, dann wieder hoch, um auf Äste in Kopfhöhe zu achten. Dort konnten sich Haare oder die Flusen einer Mütze verfangen haben, vielleicht hatten sie Glück, und etwas davon war im Labor Schwan zuzuordnen. Mehr als einmal spürte sie die scharfen Zweige der Nadelbäume über ihr Gesicht kratzen. Tannen, Fichten, Kiefern, was auch immer.
    Ein Geruch nach Harz lag in der Luft, auch nach Moder, lebendiges und totes Holz, vereint auf einem Schindanger. Das waren Höttges’ Gedanken. Er mochte Bäume. Und obwohl er Realist genug war, kam ihm der Holzschlag barbarisch vor. Hier hatten industriemäßige Kräfte gewaltet. Vollernter nannte man diese Maschinen. Sie säbelten die Stämme ab und nahmen sie in einen Zangengriff, um sie automatisch abzurasieren. Bestimmt kamen hier manchmal Leute mit der Motorsäge rein und schnitten sich Kaminholz, vielleicht sogar am vergangenen Wochenende. Er hatte wenig Hoffnung, etwas zu finden.
    Photini sah Flecken eines dunkelblauen Himmels über sich. Zwischen den Stämmen hing Nebel. Der Wald, der tückische Boden, all diese Natur. Abgesehen von der frischen Luft war das nichts anders als in einem zugemüllten Hinterhof in Köln-Ehrenfeld nach Spuren zu suchen. Da kam man auch nur mit der Machete durch.
    In diesem Beruf ging es überall um das Gleiche: Zeichen zu deuten im Dickicht. Es streckte die Finger nach ihr aus, wollte sich an ihr festkrallen. Das spornte sie an.
    Dann sah sie es, der Strahl der Taschenlampe leckte kurz darüber. Es war schwarz. Durch ihre Schutzhandschuhe fühlte es sich wie LKW-Plane an, aus der neuerdings auch Umhängetaschen gemacht wurden. Ein Fetzen Kunststoff, widerstandsfähiges, aber offenbar nicht gänzlich reißfestes Material. Und gar nicht weit von der Straße entfernt. Der dreieckige Fetzen hing an einem Zweig, der vor Dornen starrte. Photini hatte keine Ahnung, zu welcher Pflanze der gehörte.
    »Schlehe?« Höttges trat neben sie und befühlte den Zweig. »Wie Stacheldraht.«
    Sie entfernte den Kunststofffetzen und steckte ihn in einen Plastikbeutel. »Wir brauchen eine Suchmannschaft.
    Scheinwerfer, Spürhunde, das volle Programm. Sagst du Emrich Bescheid?«
    »Mit Vergnügen.«
    »Ich schau mich noch ein wenig um.«
     
    SHARON SPRINGMAN war im »Boudon« gemeldet, das hatte Heide nach einer E-Mail-Anfrage an alle Kölner Hotels erfahren. Es war ein gutes Hotel, mit bequemen Ledersesseln in der Lobby und einem aufmerksamen Service. Heide trank ein schnelles Kölsch an der Bar, das erste an diesem Tag, darauf war sie stolz, und nahm dann einen Milchkaffee.
    Sie hatte das Bedürfnis, zusätzlich einen Aquavit zu bestellen und den Schnaps in die Tasse zu kippen, sie mochte den Kümmelgeschmack. Heide rang mit sich und ließ es bleiben.
    Eigentlich war sie fast trocken, fand sie – und wusste zugleich, dass sie noch meilenweit davon entfernt war. Vor wenigen Monaten hatte sie noch mit einem Killer geschlafen, noch dazu mit einem aus den eigenen Reihen. Paul. Ein Polizist, der das Recht in die eigene Hand genommen hatte. Gar nicht einfach, in so einer Situation mit dem Saufen aufzuhören. Die meisten fingen da erst richtig an.
    Von den Kollegen war wenig Unterstützung zu erwarten. Heide hatte oft ausgeteilt. Jetzt musste sie einstecken. Raupach, dem sie sich gelegentlich anvertraute, schied aus aufgrund eigener Probleme. Als Polizist fühlte man sich manchmal so einsam wie ein Mörder. Es war nicht fair.
    Irgendwann würde diese Sharon auftauchen, dachte Heide. Die Frau war Journalistin, wie der Rezeptionist ihr verraten hatte. Ein Blick ins Internet: Miss Springman wurde als Reporterin der New York Times geführt, einer angesehenen, liberalen Zeitung, obwohl das Wort »liberal« in Deutschland einen

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