Das dunkle Erbe
wissen viel mehr, als Sie sagen.«
»Da bin ich nicht die Einzige«, gab Heide zurück.
Sharons Kaffee kam. Sie rührte in aller Seelenruhe die aufgeschäumte Milch in das braunschwarze Gebräu.
»Warum kooperieren Sie nicht?« Nach dem Vorgeplänkel probierte es Heide auf die direkte Art.
»Wie heißt das bei Ihnen? Informantenschutz?«
»Eva von Barth war eine Informantin?«
»Kein Kommentar.«
»Auch wenn Sie Journalistin sind, haben Sie in diesem Land keine Narrenfreiheit.«
»Was bedeutet das? Narrenfreiheit?«
»Sie können nicht tun, was Ihnen passt. Verschweigen, was Sie nicht sagen wollen. Verschleiern, was für eine Todesermittlung relevant sein könnte. Pressefreiheit ist etwas anderes.«
»Setzen Sie Leute immer unter Druck, wenn Sie etwas von ihnen wissen wollen? In meinem Beruf kommt man damit nicht weit.«
Heide lächelte. »Ich will Ihnen nur den Ernst der Lage klarmachen.«
»Meine Zeitung vertraut mir. Das ist alles, was zählt.«
»Geben Sie mir wenigstens eine Andeutung, einen Hinweis. Könnte Ihre Korrespondenz mit Eva von Barth etwas Drastisches ausgelöst haben?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Diese Informationen, die Sie von ihr offenbar erhalten haben. Ist das brisantes Material?«
»Das lässt sich noch nicht sagen«, erwiderte Sharon. Erst recht keinem Polizisten, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Könnte es jemandem gefährlich werden?«
»Unter Umständen.«
»Weiß das Eva von Barth?«
»So gefährlich ist die Sache nun auch wieder nicht«, wiegelte Sharon ab. »Höchstens unangenehm.«
»Für wen?«
»So weit bin ich noch nicht.« Das musste reichen, dachte Sharon.
Heide wurde aus diesem Orakel nicht schlau. »Kennen Sie den Kollegen der Ärztin, Bernhard Schwan? Er teilt sich mit ihr die Villa.«
»Wir haben uns einmal am Telefon unterhalten. Vor einigen Wochen.«
»Worüber?«
»Es hat mich nicht weitergebracht, deswegen ist es unwichtig. Der Mann war für meine Arbeit nutzlos.«
»Sind Sie sicher?«
»Auch ich habe Erfahrung darin, wie man Fragen stellt.« Sharon schüttelte den Kopf. »Dieser Schwan hatte keine Ahnung, was ich überhaupt von ihm wollte.«
»Vielleicht hat er geschauspielert.«
»Nein, so was merke ich.«
»Wollen Sie mir nicht doch sagen, worum es ging? Es könnte dazu führen, einen Mörder zu fassen und weitere Straftaten zu vereiteln.« Heide schlug ihren versöhnlichsten Tonfall an.
»Helfen Sie uns.«
»Sie versuchen es auf jede erdenkliche Art, oder?«
»Das ist mein Job. Dadurch klären wir Verbrechen auf.«
»Dabei wünsche ich Ihnen viel Glück.«
»Sind Sie Jüdin?«, fragte Heide unvermittelt.
Sharon richtete sich auf. »Merkt man das nicht?«
»Woran?«
»Ich sehe, wir sind nicht in New York.«
»In Köln gab es früher eine große jüdische Gemeinde«, erklärte Heide. »Am Rathausvorplatz kann man die erste Mikwe besichtigen.«
»Achttausend Kölner Juden wurden ermordet. Die meisten Leute wollen nicht daran erinnert werden«, sagte Sharon. »Man muss sie erst mit der Nase darauf stoßen.«
»Kriegen Sie in den USA mit, was die Menschen in Deutschland gegen das Vergessen tun?«
»Ganz genau.«
»Sie meinen wohl, es sei nicht genug.«
»Das kommt darauf an.«
Heide stand auf. »Halten Sie sich bitte zur Verfügung.«
»Was soll das heißen?«
»Dass ich wiederkommen werde, Miss Springman.« Heide erhob sich. »Dann stelle ich Ihnen dieselben Fragen noch einmal. Und es werden bestimmt ein paar neue hinzukommen.«
»Ich reise nicht ab.«
»Umso besser.«
» DAS MÜSSTE gehen.«
Raupach bedankte sich bei der Krankenschwester und legte sich demonstrativ auf die fahrbare Liege.
»Passt wie angegossen. Darauf schlafe ich wie ein Baby.«
Die Schwester kontrollierte die Infusionen. An jeder war eine Digitalanzeige angebracht. Felix hatte ihm die Bedeutung der Leuchtziffern erklärt, doch Raupach konnte sie sich nicht merken. Brauchte er auch nicht, er war nicht zur Überwachung hier. Felix hatte ihm nur zu verstehen gegeben, an welchen Zahlenwerten sein Leben abzulesen war.
»Gute Nacht, Herr Hoh.«
»Danke«, sagte Felix. Für gewöhnlich versäumte er es nie, dem Pflegepersonal ein paar nette Worte zu sagen. Felix wusste, was diese Leute Tag und Nacht leisteten. Er fühlte sich ihnen verbunden, zu einigen hatte er richtig herzliche Beziehungen aufgebaut. Das war ihm schon immer leichtgefallen. Aber zu mehr als einem »Danke« war er heute nicht in der Lage. Er schloss die Augen und dämmerte
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