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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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musst du dies alles hier … für eine Weile vergessen. Irgendwohin wegräumen, damit du es nicht dauernd vor dir siehst.«
    »Warum das denn?«
    »Weil du mir keine große Hilfe bist, wenn du hier wie ein Trauerkloß herumsitzt. Das ist schon mein Part. Du erstattest mir Bericht von der Außenwelt. Also, das nächste Mal will ich was über deine Kollegin hören, mit der du vor einer Ewigkeit mal ein Techtelmechtel hattest. Warum läuft da nichts mehr?«
    »Heide?«
    »Kann sein.« Felix sank in sein Kissen, das Reden hatte ihn erschöpft. »Ich schlaf jetzt eine Runde. Wir reden später weiter.«
    Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis Felix weg war, betäubt vom Morphium. Das Schmerzmittel wurde in genau dosierten Abständen freigesetzt.
    Raupach hatte sich an den Ablauf ihrer Gespräche gewöhnt. Sein Freund wurde mitten im Satz müde und schlief ein.
    Er löschte das Licht bis auf eine kleine Leselampe und machte es sich auf seiner Liege bequem. Anfangs hatte er sich gefragt, wie er überhaupt Schlaf finden konnte auf so einem dürftig gepolsterten Krankenhausgefährt. Dann ging es wie von selbst, um eine bestimmte Uhrzeit, die Klinikroutine steckte wohl an. Aber es war noch nicht so weit.
    Raupach beobachtete Felix. Wie sich der Brustkorb hob und senkte. Angeschlossen an Schläuche und Kanülen, hilflos. So ein gewaltiger Mann, niedergestreckt vom Krebs. In seinen besten Tagen schaffte es Felix auf die Toilette, das war eine Frage der Selbstachtung. Doch dann kamen die Erschöpfungszustände, die Einbrüche nach den Infusionen, die Depressionen.
    Raupach war nicht annähernd imstande, sich in die Lage seines Freundes hineinzuversetzen. Die Nachtwachen sollten ihm helfen durchzuhalten. Ein seelisches Band zu schmieden, das ihn ein wenig länger am Leben hielt.
    Gegen 22 Uhr wachte Felix wieder auf. Das war schwer zu erkennen bei der spärlichen Beleuchtung, er öffnete einfach die Augen und begann irgendwann zu sprechen. Manchmal schwieg er zuerst, und Raupach merkte es nur an der veränderten Atmung. Ganz genau achtete er darauf. Er hatte eine Heidenangst davor, dass Felix starb, während er bei ihm war. Konnte das nicht in seiner Abwesenheit geschehen? Es war feige, aber Raupach würde sich sonst auf eine Weise schuldig fühlen, die schwer zu bewältigen war.
    Ein Geräusch, Felix ließ das Kopfende des Bettes per Fernbedienung hochfahren. Er nahm einen Schluck aus der Tasse. Alles lief verlangsamt ab.
    »Ich hätte nie gedacht, dass du Polizist wirst.«
    »Ich auch nicht«, gab Raupach zurück.
    »Wir waren immer gegen den Staat. Zu viel Kontrolle.«
    »Was man in der Jugend so sagt.«
    »Du hättest den Dienst quittieren sollen, als sie dich strafversetzt haben.« Felix versuchte sich aufzusetzen. »Mit mir hätten sie das nicht machen dürfen.«
    »Damals hab ich’s mir überlegt, das weißt du ja.«
    »Und dann kam der nächste Fall. Klemens, der treue Hund, hat wieder Stöckchen geholt.«
    Jetzt, wo es keine übertriebene Rücksichtnahme mehr gab, stritten sie oft über ihre Berufe. All die Jahre hatten sie es nicht ausgesprochen. Aber es hing seit langem über ihrer Freundschaft. Schon die erste Weichenstellung nach der Schulzeit hatte sie auf getrennte Gleise gestellt. Dass es Felix vor einigen Jahren beruflich nach Bonn und damit in die Nähe von Köln verschlagen hatte, war reiner Zufall gewesen. Als Jungen wollten sie noch unbedingt zusammen etwas auf die Beine stellen.
    Während der ersten Chemotherapie hatte Raupach Felix nur ein einziges Mal besucht. Er war vor der beklemmenden Welt der Krebsstation zurückgeschreckt und hatte sich aufgrund seiner beruflichen Probleme nicht in der Lage gesehen, Felix über einen längeren Zeitraum beizustehen. Damals hatte sich Raupach laut vorgestellt, was gewesen wäre, wenn sie den gleichen Weg eingeschlagen hätten. Damit meinte er natürlich, dass sein Freund auch zur Polizei hätte gehen sollen.
    Felix war ihm über den Mund gefahren. Klemens kam ihm nie moralisch, aber vermutlich hatte er seine Entscheidung, in die Wirtschaft zu gehen, von Anfang an missbilligt. Hin und wieder klang es durch. Felix hasste diese Was-wäre-wenn-Gedankengänge. Er hatte Raupach nie nach dessen Gehalt gefragt. Felix verdiente mindestens das Doppelte.
    »Würdest du bitte mein Kissen aufschütteln? Und gib mir noch das andere am Fußende.«
    Raupach stand auf und tat wie geheißen. Er richtete es so ein, dass Felix einigermaßen bequem sitzen konnte.
    »Deine Sisyphos-Theorie«,

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