Das dunkle Erbe
Schatzes. Büchsen, Codices und so weiter, gerettet für die Historie Israels. Das steht möglicherweise für diese jüdischen Antiquitäten, für die sich Eva von Barth interessiert hat. Sie war der Sache auf der Spur.«
Heide zog die Augenbrauen hoch.
Raupach las weiter. »Mit den Nymphen und den Porträts könnten Gemälde gemeint sein. Und mit Trophäen unseliger Verbrecher … na ja, die unseligsten Verbrecher, die ich kenne, waren die Nazis. Die haben alles Mögliche zusammengerafft.«
»Wer hat – geschrieben? Warum verschlll-üsselt?« Mit dem letzten Wort tat sich Heide schwer.
Raupach berichtete von den neuen Informationen über den Vorbesitzer der Villa, David Springmann. Die Liste konnte aus seiner Hand stammen, die Spurensicherung überprüfte das noch. Mit einem schwer zu knackenden Code, der ausschließlich vom Empfänger aufzulösen war, hatten sie es wohl nicht zu tun. Die barockisierende Aufzählung bot Interpretationsspielraum, lieferte Anhaltspunkte, denen man nachgehen konnte oder auch nicht. Eva von Barth schien sich darauf beschränkt zu haben, die Liste aufzubewahren, allerdings an einem geheimen Ort. Vielleicht hatte auch ihr Vater Gustav etwas damit zu tun, mit seiner Vorliebe für Barockmusik.
Doch was viel wichtiger war: Hatte es wirklich einen solchen Schatz gegeben? Existierte er vielleicht noch? Und wenn ja, wo befand er sich? Vor allem aber: In welchem Zusammenhang stand er mit den drei Morden?
Heide stand auf und wies mit dem Finger nach oben. »Geh – mein Zimmer.«
Während Raupach munter weitergeredet hatte, waren ihr die Augen immer wieder zugefallen. Das Nachdenken und das mühsame Sprechen ermüdeten sie. Der trockene Mundraum schmeckte nach Medikamenten.
Hoffentlich hatte er sie nicht überfordert. Raupach griff ihr stützend unter die Arme und führte sie in das Gebäude. Sie nahmen den Aufzug, kurze Zeit später lag Heide wieder in ihrem Bett.
Er sagte der Krankenschwester Bescheid, sie bereitete sofort eine Infusion vor und machte dem Kommissar Vorwürfe. Frau Thum habe ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades erlitten. Sie solle sich schonen und jegliche Aufregung vermeiden.
Als er ins Zimmer zurückkam, schien Heide schon zu schlafen. Dann hob sie die Hand und reichte ihm einen Zettel. Raupach steckte ihn ein und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Auf dem Gang überlegte er kurz, ob er Bernhard Schwan besuchen sollte. Dessen Zimmer lag ganz in der Nähe. Er sah keinen zwingenden Grund dafür.
Dann las er Heides Mitteilung: »Sharon & ich nicht allein in Villa. Noch jemand anders da. Ein Gefühl.«
BEI DER Personensuche arbeiteten Photini und Niesken eng mit dem Stadtarchiv und dem Standesamt zusammen. Bislang hatten sie in Erfahrung gebracht, dass Ernst Wenzel während der letzten Kriegstage 1945 in Köln verstarb, seine Frau folgte ihm noch im selben Jahr nach. Einer der beiden Söhne, Friedrich, war gefallen, der andere, Gottlieb, lebte bis 1961. Dessen Tochter Sylvia Feichtner wohnte in Klettenberg, in der Nähe des gleichnamigen kleinen Parks, der dort vor über hundert Jahren angelegt worden war.
Raupach spielte einen Moment mit dem Gedanken, sich den Park wieder einmal anzusehen. Er kam selten in diese Gegend, Klettenberg war ein schmuckes Wohnviertel, es grenzte direkt an Sülz.
Der alte Park war ein geologischer Lehrpfad. Unterschiedliche Landschaftselemente waren darin nachgebildet, eine Blumenwiese, Waldstücke, Heidelandschaft, ein kleiner See, sogar ein Felsbach mit Wasserfall. Alles lag dicht nebeneinander, aber nicht so, dass es aufgesetzt oder lächerlich wirkte. Das Ganze sollte einen Querschnitt der rheinischen Landschaft darstellen. Damit die Leute nicht vergaßen, woher sie kamen und was sie umgab, so dachte man sich das in der Gründerzeit.
Raupach suchte schon lange nach einem Motiv für seinen nächsten Gemäldeversuch. Die beiden künstlichen Steinbrüche fand er besonders reizvoll, Basalt und Schiefer, malerisch eine echte Herausforderung. Die Struktur, die Farbschattierungen. Eigentlich absurd, dass es so etwas mitten in Köln gab, wenn auch nur zu Schauzwecken, ein Überbleibsel aus einer Zeit, als die Besiedlung stark zugenommen und die äußeren Stadtbezirke erfasst hatte. Ein Unbehagen, den Bezug zur Natur zu verlieren, musste schon damals bestanden haben. Oder ein schlechtes Gewissen, dass dieser Sprung bereits vollzogen war.
Raupach riss sich vom Anblick der grünenden Oase los und lenkte seine Schritte zu der angegebenen
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