Das dunkle Fenster (German Edition)
aufgegeben. Die Zeit ging ihnen aus. Bestimmt würde bald die Polizei auftauchen, und bis dahin mussten sie weg sein.
„Hier ist Blut“, rief Daniel. Er stand auf. „Auf den Polstern ist überall Blut“, wiederholte er, „sonst nichts.“
„Scheiße“, fluchte Ari. Er erhob sich ebenfalls. „Die sind längst über alle Berge.“ Sie konnten jetzt noch stundenlang die Gegend absuchen, klar. Aber die Chancen, den Mann und die Frau aus dem Passat noch zu finden, waren verschwindend klein, das wusste er.
„Hast du auch nichts angefasst?“, fragte er.
Daniel maß ihn mit einem entnervten Blick.
„War ja nur ne Frage.“
Sie erreichten den Waldrand, überquerten ein schmales Stück Wiese und suchten Schutz in der Fichtenschonung auf der anderen Seite. Die dichten Kronen der Bäume hielten den Regen zurück. Flüsternd rieben sich die Nadeln aneinander. Es roch nach Harz und feuchtem Nebel. Irgendwo plätscherte Wasser. Nikolaj lauschte auf das Geräusch und versuchte die Richtung auszumachen.
„Da lang“, sagte er mit einer Handbewegung.
Carmen antwortete nicht. Ihr Atem ging flach und schnell. Sie drangen tiefer in den Wald vor. Moos bedeckte die Wurzeln der alten Bäume. Nach einiger Zeit wurde der Boden abschüssig und senkte sich zu einer Rinne, an deren Sohle ein Bach floss. Ein Stück folgten sie dem Wasser, bis zu einem umgestürzten Baum, dessen Wurzelwerk wie ein monströses Schlachtschiff in die Luft ragte.
Nikolaj blieb stehen.
„Hier“, entschied er. „Hier ruhen wir uns kurz aus.“
Carmen ließ sich zu Boden fallen, als Nikolaj sie losließ. Er musterte sie von oben bis unten – zum ersten Mal, seit er sie aus dem Autowrack gezerrt hatte. Ihr Gesicht war voller Blut, ihre Augen glitzerten unnatürlich hell. Nikolaj kniete sich vor sie und nahm ihren Kopf in die Hände. Reflexartig zuckte sie zurück, aber er verstärkte seinen Griff.
„Nicht. Halt still.“
Ein Schnitt zog sich von ihrer Augenbraue über die Stirn bis in den Haaransatz. Noch immer sickerte Blut aus der Wunde. Aber wenigstens war die Verletzung nicht lebensbedrohlich, stellte er erleichtert fest.
„Wie sieht es aus?“, fragte sie mit brüchiger Stimme. Sie hob eine Hand, um sich das Blut aus den Augen zu wischen.
„Nur ein tiefer Kratzer.“ Er ließ sie los. „Was ist mit deinem Bein?“
„Ich weiß nicht.“ Carmen betastete ihren Knöchel. Sie zuckte zusammen, als ihre Finger auf eine schmerzende Stelle trafen. Nikolaj richtete sich wieder auf.
„Keine Ahnung.“ Ratlos sah sie zu ihm hoch. „Gebrochen ist es nicht. Vielleicht eine Zerrung.“
Er nickte. Steifbeinig machte er ein paar Schritte hinunter zum Bach, dann warf er einen Blick zurück zu Carmen. „Du solltest dir das Gesicht waschen“, rief er ihr zu.
Vorsichtig ließ er sich auf ein Knie herab und schob das Hosenbein hoch, das vom Knie abwärts blutgetränkt war. Noch immer verspürte er kaum Schmerzen, nur ein juckendes Brennen, das sich den Unterschenkel hinaufzog. Er entdeckte eine tiefe Schramme seitlich an der Wade. Nikolaj zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und tauchte es in das Wasser dann begann er das Blut abzuwaschen. Carmen näherte sich mit unsicheren Schritten. Sie kniete sich neben ihn auf den feuchten Boden und schöpfte Wasser mit beiden Händen. Rotgefärbte Schlieren flossen zwischen ihren Fingern herab, als sie sich das Gesicht benetzte.
45 Tel Aviv | Israel
Kurz nach Mittag rief Daniel Grolanik erneut bei Katzenbaum an und berichtete ihm, dass seine Männer die Zielperson verloren hatten. Der Leiter der Berliner Station war wütend, und er ließ es Katzenbaum spüren. Was als kleiner Überwachungsjob geplant gewesen war, hatte plötzlich unüberschaubare Ausmaße angenommen. Es gab einen schweren Autounfall und zwei Tote und seine Leute waren in die Sache verwickelt. Das war nichts, was man einfach so unter den Tisch kehren konnte.
Katzenbaum lauschte Grolaniks Ausbruch schweigend und mit zusammengekniffenen Lippen. Grolanik versprach, dass er den Namen des tschechischen Killers überprüfen würde, aber dann wollte er nichts mehr mit der Angelegenheit zu tun haben.
Katzenbaum nickte. Er zündete sich eine Zigarette an, als Grolanik aufgelegt hatte. Dann wandte er sich um zu Shalev, der immer noch an seinem Küchentisch saß.
„Binyamin“, sagte er schwer, „da macht noch jemand Jagd auf unseren Mann. Und es ist keiner von uns, so viel ist sicher.“
Die Wohnung, die sie Rafiq für die Zeit seines
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