Das dunkle Fenster (German Edition)
war er hinter Francesco. In der gleichen Bewegung zog er die Beretta und drückte sie dem Italiener ins Kreuz. Carmen stieß die Tapetentür auf, die sie zuvor entriegelt hatten. Nikolaj stieß den völlig überrumpelten Mann ins Innere und zog die Tür hinter sich zu. Für einen Augenblick herrschte undurchdringliche Finsternis.
„Kein Wort“, zischte Nikolaj, „oder ich erschieße dich.“
Francesco gab ein ersticktes Geräusch von sich. Sekundenlang waren nur seine Atemzüge zu hören. Dann flammte der dünne Strahl einer Taschenlampe auf. An der Stirnwand der Kammer stand ein Regal mit Putzmitteln. Ein Stoß leerer Bilderrahmen lehnte an der Wand. Carmen richtete das Licht auf Francesco und trat einen Schritt zurück.
„Auf die Knie“, sagte Nikolaj, „und Hände in den Nacken.“
Francesco gehorchte. „Was wollen Sie?“, fragte er mit unsicherer Stimme.
Nikolaj tastete ihn mit der rechten Hand ab, während er mit der linken die Waffe gegen Francescos Genick presste. Er fand eine kleine Pistole in einem Schulterhalfter unter dem Jackett des Italieners, die er an sich nahm. „Du kannst dich jetzt umdrehen.“
Unbeholfen richtete Francesco sich auf. Er kniff die Augen zusammen, als das grelle Licht ihn blendete.
„Dir passiert nichts“, fügte Nikolaj hinzu, „wenn du ruhig bleibst.“
„Was wollen Sie?“, wiederholte Francesco. Er blinzelte ein paar Mal, seine Augen hefteten sich auf Nikolajs Gesicht.
„Nicht so laut“, raunte Carmen in seinem Rücken.
„Es geht Ihnen gar nicht um Waffen, oder?“ Francesco reihte hektisch die Silben aneinander. „Es gibt keine Talaa’ al-Fateh, habe ich Recht?“
„Nein“, erwiderte Nikolaj. Er hielt die Pistole jetzt auf die Brust des Italieners gerichtet.
Francescos Augen streiften den Schalldämpfer, der auf den Lauf geschraubt war. „Wer sind Sie?“
Schritte näherten und entfernten sich wieder, hochhackige Schuhe auf Holzparkett. Nikolaj hob eine Hand und nahm die Hornbrille ab. „Entschuldige die Verkleidung. Aber ich wollte dich allein sprechen. Ohne deine Gorillas. Und ich war nicht sicher, ob du mich so herzlich empfangen hättest, wenn ich einfach an deiner Tür geklingelt hätte.“
Francesco sah ihn verständnislos an. Dann plötzlich weiteten sich seine Augen. Ein Zucken lief über sein Gesicht. Langsam schüttelte er den Kopf.
„Nein. Nein, das glaube ich jetzt nicht.“ Er holte tief Atem. Seine Stimme kippte um.
„Aber du bist tot“, stieß er hervor. „Ich dachte ...
Abrupt brach er ab.
„Ich hatte schon vermutet, dass du dich freuen würdest mich zu sehen.“
Francescos Augen flackerten. Vorher war es nur Verunsicherung gewesen, Verblüffung vielleicht, aber jetzt fand sich Angst darin. „Hör mal, du denkst doch nicht, dass ich was damit zu tun hatte? Du musst mir glauben, das war nicht meine Idee.“
„Womit genau hattest du nichts zu tun?“
„Scheiße“, murmelte Francesco. Seine Lippen öffneten und schlossen sich ein paar Mal, ohne dass ein Ton hervorkam.
„Vielleicht damit“, fuhr Nikolaj mit unterdrückter Lautstärke fort, „dass ein paar Killer auftauchten, nachdem ich dich von München aus angerufen hatte?“ Seine Stimme hob sich leicht. „Du hattest da was missverstanden, weißt du? Ich hätte Hilfe brauchen können in jener Nacht. Dass du dann nicht gekommen bist – hm, ich weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll. Immerhin hattest du ja deine Männer geschickt. Aber die hatten sicher auch was missverstanden, oder?“
München Ostbahnhof. Es war eine eisige Winternacht gewesen, in München lag knöcheltief der Schnee auf den Straßen. Er hatte den gestohlenen Wagen auf der Rückseite des Bahnhofs geparkt und von einer Telefonzelle aus Francesco angerufen, weil er nicht mehr weiterkonnte. Weil er ahnte, dass die Polizei mittlerweile eine Großfahndung losgetreten hatte. Weil Blut von seinem Ärmel tropfte und dunkel im Schnee versickerte. „Was genau war daran nicht deine Idee, mein Freund? Erklär es mir, ich habe bestimmt was missverstanden.“
Francesco wandte den Blick ab. „Bist du hier, um mich zu töten?“
„Mal sehen. Erzähl mir was, das deinen Kopf wert ist.“
„Was meinst du?“
„Erklär mir das Missverständnis in München.“
Abermals waren Schritte von draußen zu hören, diesmal von mindestens zwei oder drei Leuten. Jemand sagte etwas, aber die Worte waren nicht zu verstehen. Francescos Blick wurde unstet.
„Denk nicht mal daran“, flüsterte
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