Das dunkle Fenster (German Edition)
Marinemalerei und daneben noch einige Blumenstillleben beherbergte. Freundlich nickte er der Dame vom Aufsichtspersonal zu und blieb vor einem Gemälde von Hendrick Cornelisz stehen. Dabei positionierte er sich so, dass er auch die beiden rechts und links angrenzenden Räume im Blick hatte, wenn er den Kopf drehte.
„Die Kavallerie“, murmelte er leise, „ist schon da.“ Für einen aufmerksamen Beobachter musste es so aussehen, als ob der schrullige alte Mann mit sich selbst redete. „Zwei Männer rechts im großen Saal“, fuhr er fort, „und einer links, in dem Raum mit den Musikinstrumenten.“
In seiner Ohrmuschel rauschte es leise, als Carmen zu einer Antwort ansetzte.
„Was soll ich machen?“, fragte sie. Ihre Stimme klang verzerrt durch das winzige Mikrofon.
„Wie besprochen“, sagte Nikolaj.
Er wandte sich von dem Gemälde ab und trat zum nächsten Bild. Seine Verkleidung war so perfekt, wie es bei der kurzen Vorbereitungszeit nur möglich war. Im Hotelzimmer hatte er stundenlang den Gang geübt. Langsame schleppende Schritte, bei denen er die Knie nie ganz streckte, den Oberkörper leicht gebeugt, die Arme pendelnd. Er sah aus wie ein ältlicher Professor aus einer verschlafenen österreichischenUni, hatte Carmen lachend gesagt. Sie fand, dass der Verwandlung etwas Unheimliches anhaftete. Die Art sich zu bewegen ist der Schlüssel, hatte Nikolaj erwidert. Das und die Gestik und Mimik. Kleider und Schminke waren nur eine leere Hülle, die mit Leben gefüllt werden musste.
„Ich gehe in den großen Saal“, murmelte er, „und komme in ein paar Minuten zurück.“
Er setzte sich wieder in Bewegung. Bei jedem Schritt zog er leicht das linke Bein nach. Im Nachbarsaal, nicht weit vom Durchgang entfernt, standen Polsterbänke. Nikolaj ließ sich umständlich nieder und begann im Katalog zu blättern. Im Augenwinkel entdeckte er einen von Francescos Leibwächtern. Er kannte den Mann sogar von früher, auch wenn er den Namen nicht wusste. Es war ein stämmiger Typ mit narbiger Haut, der gelangweilt im Raum stand und zwischen den regulären Besuchern wie ein Fremdkörper wirkte.
Dann tauchte Carmen auf. Sie trug Jeans und flache Turnschuhe und war so geschminkt, dass ihre Haut um einige Grade dunkler wirkte. Nikolaj las weiter in seinem Katalog, während sie dicht an ihm vorbeiging. Wenige Minuten später erschien Francesco auf der Bildfläche.
Er hatte sich kaum verändert. Ein schlanker, fast schon schmächtiger Mann in den Fünfzigern, gekleidet wie ein Anwalt. Bedächtig schlug Nikolaj den Katalog zu und erhob sich aus den Lederpolstern. Er betrachtete die Bilder in der Nähe des Durchgangs, bis sich eine Gruppe von Besuchern näherte, denen er sich anschloss.
In seinem Ohrhörer knackte es. Er hörte Carmens Stimme, aber sie sprach nicht mit ihm, sondern mit jemand anderem. Eine Begrüßung, ein paar höfliche Worte. Sie tasteten einander ab. Francesco war misstrauisch. Er fragte, für wen sie arbeite. Carmen antwortete ausweichend. Eine junge Organisation, erwiderte sie. Talaa’ al-Fateh. Sie waren noch unbekannt, fügte sie hinzu, aber das würde sich bald ändern.
Die Besuchergruppe schlenderte weiter in den angrenzenden Raum. Nikolaj folgte ihnen. Mit halbem Blick erfasste er Carmen. Sie stand mit Francesco in der rückseitigen Hälfte des Raumes, die von den benachbarten Sälen her nicht einsehbar war. Direkt hinter ihnen befand sich eine Tapetentür, erkennbar nur an einer dünnen schwarzen Linie, welche die weiß gestrichene Wand unterbrach. Nikolaj blieb erneut vor dem Cornelisz-Gemälde stehen und gab vor, die Beschreibung auf der kleinen Infotafel zu lesen. Francesco fragte, was genau Carmen denn mit Ausrüstung meinte. Gewehre, sagte sie, und Munition. Können Sie M-16 liefern? Ja, sagte er. Raketen, fügte sie hinzu. Semtex-Sprengstoff.
Übertreib es nicht, dachte Nikolaj. Francesco hatte bereits angebissen. Mit schwerfälligen Schritten schlurfte er zum nächsten Bild. Er wartete, bis die anderen Leute den Raum verlassen hatten. Die Aufseherin war vor zwei Minuten im Nachbarsaal mit den Musikinstrumenten verschwunden. Wie Nikolaj wusste, würde sie ihre Runde laufen und frühestens in acht Minuten wieder hier auftauchen.
Das nächste Bild. Er stand jetzt bereits so weit im Raum, dass man ihn von draußen nicht mehr sehen konnte. Seeschlacht zwischen Spanien und England. Holland, 1601.
Mit zwei schnellen Schritten, die die Illusion seiner Verkleidung vollkommen zerstörten,
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