Das dunkle Fenster (German Edition)
hatte. Schließlich, und das wusste Cohenganz genau, hatten Liberman und seine Parteifreunde nach der Wahl Scharons zum Ministerpräsidenten einen wesentlichen Beitrag geleistet, um Cohen auf den Posten zu hieven, auf dem er heute saß.
„Ich lasse Kusowjenko überwachen“, sagte Cohen kurz angebunden. „Ich setze ein Team auf ihn an. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Kerl nicht offen spielt, und glaub’ mir“, er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, „mein Bauchgefühl hat meistens recht.“
56 Salzburg | Österreich
Sie hatten Innsbruck über die Autobahn in Richtung Bozen verlassen, waren kurz darauf abgebogen und über kleine Bergstraßen zurück in Richtung Norden gefahren. In Kufstein machten sie einen kurzen Zwischenhalt. Nikolaj kaufte ein Prepaid-Handy und ein Ladekabel für das Auto.
Kurze Zeit später überquerten sie die deutsche Grenze. Bei Rosenheim kehrten sie zurück auf die Autobahn. Gegen sieben Uhr erreichten sie Salzburg. Nikolaj steuerte eine Autobahnraststätte an, um zu tanken. Als Carmen ihn fragte, wo sie eigentlich hinfuhren, konnte er ihr nicht antworten. Seine Begegnung mit Francesco hatte eine fiebrige Unruhe in ihm wachgerufen. Er wollte in Bewegung bleiben, aber er hatte kein wirkliches Ziel.
Als sie wieder zurück auf die Autobahn fuhren, war der Verkehr dichter geworden. Immer wieder stockte der Strom der Autos. Kaskadenartig leuchteten die Bremslichter auf, Nikolaj sprang zwischen den Spuren. Während er mit einer Hand das Lenkrad bediente, stöpselte er das Ladekabel ein und schaltete das Telefon an. Rasch tippte die Zahlenfolge ein, die Francesco ihm gegeben hatte.
„Viel Glück“, murmelte Carmen.
Nikolaj presste den Hörer ans Ohr. Es klickte ein paar Mal, dann kam das Rufzeichen. Er ließ es klingeln, während er auf die roten Lichter starrte, die ineinander zu verlaufen schienen. Der Ruf brach ab. Eine Computerstimme erklärte, dass der Teilnehmer nicht verfügbar wäre. Nikolaj machte einen zweiten Versuch. Wieder ließ er es klingeln. Fünfmal, sechsmal ... dann der Computer.
Er nahm das Telefon vom Ohr. „Es nimmt niemand ab.“
„Glaubst du“, fragte Carmen, „dass Francesco dir eine falsche Nummer gegeben hat?“
Ein ähnlicher Gedanke hatte ihn durchzuckt. Ganz kurz nur, dann hatte er ihn beiseite gewischt. Er glaubte das nicht. Francescos Angst hatte sich echt angefühlt.
„Wenn du die Namen hast“, setzte sie nach, „was dann?“
„Du fragst wegen dem Deal mit deinen Israelis, oder?“ Nikolaj konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Ich habe es mir noch mal durch den Kopf gehen lassen.“
„Und?“
Er beobachtete sie aus dem Augenwinkel, während er den Wagen auf die Überholspur steuerte und an einer Reihe von LKWs vorbeizog. Ihre Nasenflügel bewegten sich leicht. Sie wirkte – erwartungsvoll. Wieder dachte er, dass sich so gar keine Härte in ihr fand. Das war erstaunlich. Carmen konnte konsequent sein, unnachgiebig und sehr impulsiv. Was ihr jedoch fehlte, war diese kühle Glätte, die Menschen ihres Berufsstands oft anhaftete.
„Was hast du für den Mossad gemacht?“, fragte er.
Ihr Gesicht nahm einen überraschten Ausdruck an. „Warum willst du das wissen?“
„Weil es mich interessiert.“
Sie legte den Kopf schräg und musterte ihn aus schmalen Augen.
„Du interessierst mich.“ Er merkte, wie er sich verhedderte. Das hatte er gar nicht sagen wollen, aber jetzt, wo es im Raum stand, verspürte er auch nicht den Wunsch, es zurückzunehmen. „Ich meine“, fügte er hilflos hinzu, „ich will dich verstehen. Wie du denkst, meine ich.“ Abrupt verstummte er.
Carmens drehte ihren Kopf ein wenig. Sie schwieg eine Zeitlang. Dann verzog sie den Mund zu einem Lächeln. „Ich habe nie etwas Gewalttätiges getan. Seit damals im Libanon habe ich nie mehr einen Schuss abgefeuert.“
„Immerhin wusstest du, wie du dir eine nicht registrierte Waffe besorgen kannst“, erwiderte er in amüsiertem Tonfall.
„Ich kann auch kochen und tue es nie.“
Nikolaj lachte leise.
Carmen schüttelte den Kopf. „Jetzt mal ernsthaft. Du machst dir da falsche Vorstellungen. Meistens ging es darum, Kontakt zu einer Zielperson aufzunehmen, ohne dass sie Verdacht schöpft. Weil sie Zugang zu bestimmten Informationen hatte. Oder weil der Dienst es nützlich fand, etwas gegen diese Person in der Hand zu haben.“ Sie kniff die Augen zusammen. „Verfängliche Fotos, die man der Ehefrau zeigen könnte, oder der Presse. Du weißt
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