Das dunkle Fenster (German Edition)
sie als Einheimische durchgehen. Oder vielleicht stammte sie sogar aus Beirut und war vom Dienst vor Ort rekrutiert worden. Äußerlich reihte sie sich jedenfalls nahtlos ein in die anonyme Masse wohlhabender libanesischer Studentinnen.
„Die Akte Fabio ist wieder geöffnet worden“, sagte Katzenbaum. „Das Rosenfeldt-Attentat, Berlin 2001“
„Ich erinnere mich.“
„Es sieht so aus, als wäre Fabio wieder aufgetaucht.“
„Schön. Was habe ich damit zu tun?“
Der Katsa drückte seine Zigarette aus. „Wir haben etwas über Fabios Identität herausgefunden. Wir müssen das noch überprüfen. Aber es könnte sein, dass du ihn gut kennst. Du und Carmen, genauer gesagt.“
Rafiq spannte sich unwillkürlich an.
„Nikolaj Fedorow“, sagte Katzenbaum.
Der Name hing im Raum wie ein gefrorener Atemzug. Rafiq schwieg minutenlang. Er war zu überrascht, um etwas anderes zu tun, als einfach nur den Blick des Katsa zu erwidern.
„Das ist schon lange her“, sagte er.
„Dreizehn Jahre.“
„Er ist tot. Diese Information stammt übrigens von euch.“
„Das dachten wir. Aber möglicherweise haben wir uns getäuscht.“
„Im Februar 1994 in Kairo erschossen“, zitierte Rafiq. „Ich habe die Leiche anhand der Fotos identifiziert.“
„Wir glauben jetzt, dass sein Tod nur inszeniert war. Er wollte alle Brücken hinter sich abschlagen, um sich eine neue Identität aufbauen zu können. Was ihm ja offenbar gelungen ist.“
„Nein, warte.“ Rafiq lachte nervös. „Was willst du mir sagen? Dass Nikolaj und Fabio dieselbe Person sind?“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist absurd. Entschuldige, aber das kann nicht dein Ernst sein.“
Es ergab keinen Sinn. Rafiq beugte sich vor und griff nach seinem Kaffee. Überrascht stellte er fest, dass er das Glas nicht ruhig halten konnte.
Völlig absurd.
Warum fühlte er sich dann so überreizt, fast fiebrig?
Er konzentrierte sich auf einen Fleck an der gegenüberliegenden Zimmerwand und versuchte die aufsteigende Nervosität niederzukämpfen. Seine Gedanken kreisten.
Nikolaj Fedorow – das stand für eine andere Zeit, ein anderes Leben. Er versuchte, sich Nikolajs Gesicht ins Gedächtnis zu rufen und stellte fest, dass er es nicht konnte. Er spürte Katzenbaums Blick auf sich ruhen. Bemerkte der Mann sein Unbehagen? Und warum auch nicht?
Katzenbaum verharrte noch einen Moment, als erwartete er, dass Rafiq etwas hinzufügte. Kurz bevor das Schweigen unerträglich wurde, schüttelte er zwei Fotos aus einem Briefumschlag und legte sie auf den Tisch.
„Diese Bilder wurden vor drei Tagen in einem Kloster im Wadi Qadisha gemacht.“
Rafiq lehnte sich vor. Lange betrachtete er die Bilder. Eine Aufnahme zeigte das Gesicht eines Mannes schräg von vorn. Rafiq fühlte eine vage Vertrautheit, aber er wusste, dass das durch die Erwartungshaltung beeinflusst sein mochte.
„Tut mir leid“, sagte er wahrheitsgemäß und gab die Bilder zurück. „Das sagt mir nichts.“ Auf Katzenbaums Gesicht malte sich Enttäuschung. Rafiq lächelte schmal. „Tut mir wirklich leid. Ist das der Grund, aus dem du mich hier haben wolltest? Damit ich eine Identifizierung vornehme?“
„Nein.“ Katzenbaum fixierte ihn. „Ich will dich in meinem Team für diese Operation. Du kennst den Mann oder hast ihn jedenfalls gekannt. Ich will ihn haben, verstehst du? Er ist uns einmal entwischt und dieses Mal will ich, dass wir es richtig machen.“ Er zögerte kurz. „Die Bezahlung wird großzügig sein.“
Rafiq nickte beiläufig. Geld war hier nicht der Punkt. Er zweifelte nicht daran, dass die Israelis gut bezahlen würden, das taten sie immer.
„Warum gerade ich? Ihr habt doch eure eigenen Leute für diese Dinge.“
Katzenbaum stieß den Atem aus; es klang wie ein Seufzen. „Weil du weißt, wie er denkt. Und weil du die richtige Motivation für den Job hast.“
„Du meinst, weil er mal mein Freund war?“
„Es gab eine Zeit, da wolltest du ihn unbedingt töten.“
„Bis jemand in Kairo mir das abgenommen hat, ja.“ Rafiq verzog einen Mundwinkel. „Aber das war wohl ein Irrtum, oder?“
„Er hat uns alle getäuscht.“
„Was erwartest du von mir? Soll ich mich an ihn dranhängen und ihn erschießen?“
„Nein.“ Katzenbaum lächelte grimmig. „Dafür hätte ich einfach ein Team von Kidons anfordern können. Tot nützt er mir überhaupt nichts. Wir brauchen ihn lebend, und zwar unter allen Umständen. Niemand weiß, was wirklich in Berlin passiert ist. Wer waren die
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