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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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anderen Empfindungen.
    Und dann zündete Carmen die Sprengsätze.
    Der Horizont ging in Flammen auf.
10 Wadi Qadisha | Libanon. Gegenwart.
     
    Zwei Tage nach seinem Besuch bei Pater Georg fuhr Nikolaj nach Ehden, um ein Paket vom Postamt abzuholen. Auf dem Rückweg fiel ihm ein Suzuki Geländewagen auf, der in Hawqa vor dem Haus des Mukhtar, des Dorfvorstehers parkte. Er war plötzlich sicher, dass er das gleiche Fahrzeug auf dem Sandplatz unterhalb des Klosters gesehen hatte.
    Während er die letzten Häuser des Dorfes passierte und langsam in die Kurve am Ortsausgang rollte, fragte er sich, warum Touristen aus der Schweiz Rabi’a Ehdeni, den Mukhtar von Hawqa aufsuchen sollten.
    Der Gedanke ließ ihm keine Ruhe.
    Grübelnd trug er das Paket ins Haus und stellte es auf den großen Holztisch im Atelier. Mit einem Messer durchtrennte er Klebeband und Packpapier. Die Sendung kam von Bellini & Söhne, einem italienischen Versandhandel für Künstlerbedarf. Es war einer der wenigen Kompromisse, die Nikolaj sich noch gestattete. Auch Nico Delani hatte seine Farben bei Bellini bestellt. Sorgfältig befreite er die kleinen Holzkisten vom Polstermaterial und baute sie auf der Tischplatte auf.
    Wieder fragte er sich, was die europäischen Touristen mit Ehdeni zu schaffen hatten. Es ließen sich natürlich Dutzende von Gründen finden. Der harmloseste war, dass sie sich einfach nur nach dem Weg erkundigt hatten. Oder möglicherweise gehörte der Geländewagen gar nicht den Besuchern aus der Schweiz, sondern jemandem hier aus der Gegend.
    Nikolaj klappte eine der Kisten auf und überprüfte, ob die Beutel mit den kostbaren Pigmenten unbeschädigt waren. Aber wenn das Fahrzeug einem Ortsansässigen gehörte, wieso hatte er es dann noch nie gesehen? Im Grunde war es ein weiterer seltsamer Zufall, dass die Touristengruppesich ausgerechnet jetzt auf St. Antonius einquartiert hatte. Das Gästehaus des Klosters stand sonst leer, das hatte Pater Georg selbst gesagt.
    Nikolaj lehnte sich rücklings gegen den Tisch und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Sein Blick glitt über die abgedeckten Gemälde, über die Staffelei mit der grundierten Leinwand, die Läden vor den hohen Fenstern. Es roch nach Holz, nach Terpentin und Firnis. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Langsam stieß er die Luft wieder aus.
    Zu viele Zufälle.
    Er konnte das nicht einfach ignorieren.
    Rabi’a El-Ehdeni hatte sich im Erdgeschoss seines Hauses ein schönes Büro eingerichtet, in dem er seine Besucher empfing. Nikolaj trug ihm die Geschichte vor, die er sich in aller Hast zurechtgelegt hatte. Dass er von Plänen gehört hatte, in Hawqa ein Touristenhotel zu errichten. Er äußerte Besorgnis. Nicht ohne Grund hatte er ein Anwesen in einem kleinen, touristisch nicht erschlossenen Ort erworben. Er schätzte die Ruhe, die Hawqa ihm gewährte und er hoffte, dass der Mukhtar Näheres über die Gerüchte wusste, etwas, das Nicolás Sorgen zerstreuen könnte, vielleicht?
    „Aber Sie müssen mir glauben“, beteuerte der Dorfvorsteher. „Das höre ich zum ersten Mal.“ Sein Erstaunen war echt. Natürlich, was sonst? Er lehnte sich ein wenig vor. „Wo haben Sie das denn her?“
    „Die Mönche in St. Antonius haben darüber spekuliert, weil neuerdings so viele Touristen das Kloster besuchen“, sagte Nikolaj. „Aber ich bin froh, dass Sie das nicht bestätigen können. Wenn etwas an den Gerüchten dran wäre, dann hätte man sicher zuerst bei Ihnen angefragt.“
    „Ja gewiss“, sagte Rabi’a. „Aber es wäre vielleicht gar nicht schlecht für das Dorf, wenn sie hier ein Hotel bauen würden. Ehden ist reich geworden mit den ausländischen Touristen.“
    Nikolaj lehnte sich im Stuhl zurück. „Aber Sie verstehen doch auch meine Bedenken?“
    „Der Reichtum hat einen Preis“, sagte Rabi’a bekümmert, „das ist wahr. Der Preis sind unsere Traditionen.“
    „Sehen Sie“, erwiderte Nikolaj, „das meinte ich.“ Er schlug einen beiläufigen Plauderton an. „Übrigens, ich habe gesehen, dass Sie heute Besuch hatten von diesen Schweizer Touristen, die in St. Antonius wohnen?“
    „Schweizer Touristen?“ Rabi’a kniff die Augen zusammen. „Sie meinen das Ehepaar aus Europa? Ich wusste gar nicht, dass die aus der Schweiz kommen.“
    „Ich habe nur das Auto vor Ihrem Haus bemerkt.“ Nikolaj lächelte entschuldigend. „Der Klostervorsteher hat mir erzählt, dass er Besucher aus der Schweiz beherbergt.“
    „Das waren sehr vornehme

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