Das dunkle Fenster (German Edition)
starrte ihm in die Augen, während er sprach. „Eine Gegenleistung dafür, dass wir Sie nicht einfach wie einen räudigen Hund erschossen haben. Verdient hätten Sie es jedenfalls.“
Woher wusste der Israeli seinen Namen?
Rafiq hielt dem stechenden Blick stand. Er antwortete nicht, sondern wartete darauf, dass Weiss sich erklärte. Während er auf dem Bett saß, nur mit einer hellblauen Stoffhose und einem dünnem Hemd bekleidet, fühlte er sich auf schwer greifbare Weise gedemütigt. Seinenackten Fußsohlen berührten den Linoleumboden. Weiss hatte auf dem einzigen Stuhl im Raum Platz genommen, die Arme lässig auf die Rücklehne gestützt. Hinter ihm lehnte Katzenbaum an der Wand. Aber Katzenbaum war nicht derjenige, von dem die Bedrohung ausging.
„Sie sind ein Mitglied der PFLP“, stellte Weiss fest. „Das allein reicht schon aus, um Sie die nächsten zwanzig Jahre in irgendeinem Loch verrotten zu lassen. Und niemand wird sich einen Dreck drum scheren. Genau wie diese Frau“, er drehte sich zu Katzenbaum um, „wie heißt sie gleich noch mal?“
„Arndt“, half der jüngere Mann. „Carmen Arndt.“
„Ja genau, diese Verrückte aus Deutschland.“ Weiss machte eine Pause. Ohne Eile zündete er sich eine Zigarette an. „Wir hätten gern, dass Sie uns ein paar Dinge erzählen, über Ihre PFLP- Freunde. Zum Beispiel interessiert es mich, wer diesen Überfall auf den Checkpoint organisiert hat. Wer hat den Befehl dafür gegeben?“
Rafiq antwortete nicht. Er spürte, wie seine Füße und die Fingerspitzen kalt wurden. Plötzlich wusste er, worauf das hinauslief. Die beiden Männer waren vom israelischen Militär oder von einem der Nachrichtendienste. Sie wollten, dass er jemanden verriet. Und wenn sie keine Antworten erhielten, würden sie aufhören, höfliche Fragen zu stellen.
„Jetzt kommen Sie“, sagte Weiss. Seine Stimme klang seltsam unbeteiligt, so als würde er nach der Uhrzeit fragen, oder Auskunft über Bahnverbindungen erteilen. „Und erzählen Sie mir bitte nicht, das alles wäre ein Missverständnis. Ihr Freund, dieser Russe, dieser Fedorow, hat uns schon eine Menge erzählt. Machen Sie’s so wie er, helfen Sie uns, dann helfen wir Ihnen. Sie können sich das aussuchen. Entweder wird das alles sehr schmerzhaft für Sie, oder Sie entscheiden sich zur Kooperation. Wir belohnen unsere Freunde, glauben Sie mir. Da hat sich noch keiner beschwert.“
Rafiq fragte sich, wie viel er aushalten konnte. Was war mit Nikolaj? Was hatten sie mit ihm angestellt? Was wollte der Alte ihm sagen? Wie schmerzhaft konnte so ein Verhör werden?
Er hatte ein paar Geschichten gehört, aber niemals jemanden getroffen, der das bei den Israelis durchgestanden hatte und dann zurückgekehrt war, um davon zu erzählen. Was bedeutete das?
Weiss erhob sich vom Stuhl und strich seine Hosen glatt.
„Überlegen Sie sich das“, sagte er. „Wir sind ja keine Unmenschen. Sie können einen Tag in sich gehen. Danach, schlage ich vor, reden wir noch mal.“
Weiss hatte gelogen. Sie gaben ihm keinen Tag. Sie gaben ihm nicht mal zwei Stunden. Bewaffnete Uniformierte zerrten ihn aus dem Zimmer und schleppten ihn an einen anderen Ort. Sie passierten endlose Korridore, kalter Beton unter seinen nackten Füßen. Sie stiegen eine Treppe aus Gitterrosten hinab, folgten noch mehr Korridoren, die alle gleich aussahen. Kalt und fahl flimmerten sie im künstlichen Licht.
Der Verhörraum war etwas größer als seine Krankenzelle. Boden und Wände waren gefliest, es gab einen Abfluss in der Mitte des Raums. Details, die der Einschüchterung dienten. Sie verfehlten ihre Wirkung auf Rafiq nicht. Auf einem Holzschemel stand eine große Metallschüssel, die bis zum Rand mit Eiswasser gefüllt war. Rafiq wurde auf einen Stuhl gedrückt. Sie fesselten seine Hände und Füße mit breiten Lederriemen. Dann tauchte Weiss auf, und hinter ihm Katzenbaum. Sie begannen mit dem Verhör.
Wo befindet sich euer Lager?
Wie viele Kämpfer?
Wo haben sie euch ausgebildet? In den Bergen, was soll das heißen? Verdammt, in welchen Bergen? Kannst du es etwas genauer beschreiben? Waffentransporte? Welche Routen? Wo finden die Übergaben statt?
Seine Lungen brannten, als sie ihn unter Wasser drückten, er verlor die Orientierung, kämpfte sinnlos gegen die Fesseln. Der Druck verringerte sich plötzlich, sie rissen seinen Kopf zurück. Gierig holte er Atem und verschluckte sich, so dass er husten musste, bis ihm die Tränen in den Augen standen. Sie
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