Das dunkle Fenster (German Edition)
wiederholten ihre Fragen, und er starrte nach unten, sein Spiegelbild zitterte, als Wassertropfen sich von seinem Gesicht lösten und hinunter in die Schüssel fielen. Erneut zogen sie seinen Kopf nach unten, tauchten ihn gewaltsam unter. Wieder glaubte er ersticken zu müssen. Wer liefert die verdammten Waffen? Die Namen, sag’ uns die Namen! Wer fädelt diese Deals ein? Wo finden die Übergaben statt?
Wie lange hatte er durchgehalten? Er konnte es nicht sagen. Zwei Tage vielleicht? Drei? Er sagte ihnen, was sie wissen wollten. Es war ohnehin nicht viel. Rafiq war nur ein kleines Licht, ein einfacher Kämpfer. Keiner, mit dem die Führer ihre Pläne teilten. Die Prozedur veränderte sich. Sie verlegten ihn in eine andere Zelle, ein Loch aus Beton von zweimal drei Metern, ein Lüftungsschlitz in der oberen Wand. Es gab einen einzigen Stuhl, und einen Eimer, den er als Toilette benutzte. Das Licht an der Decke war vergittert und blendend hell. Es gab keinen Schalter in der Zelle.
Sie setzten die Befragungen fort. Weiss wollte Dinge wissen, von denen Rafiq noch nie gehört hatte. Der Israeli war überzeugt, dass Rafiq einen hohen Rang innerhalb der PFLP bekleidete. Sie setzten keine Gewalt mehr ein, aber die Zelle allein war Folter genug. Das helle Licht verhinderte, dass er schlafen konnte. Der Betonboden war eisig kalt. Rafiq fror ununterbrochen. Er dämmerte hinüber in eine Art ständiges Delirium. Seine Augen brannten, seine Haut fühlte sich dünn an. Er fragte sich, ob er sterben würde. Khamal war tot, das hatten sie ihm gesagt. Er grübelte darüber nach, was mit Carmen passiert sein mochte und mit Nikolaj.
Wieder öffnete sich die Zellentür, ein Ritual, das er inzwischen als beinahe tröstlich empfand. Er erwartete Weiss zu sehen und seinen wortkargen Assistenten. Doch dieses Mal kam Katzenbaum allein.
Der Israeli hatte zwei Becher Kaffee mitgebracht. Er setzte sich nicht auf den Stuhl, wie Weiss es stets tat, sondern ließ sich neben Rafiq auf den Boden sinken. Rafiq nahm den Pappbecher mit dem dampfend heißen Inhalt, obwohl er das Gefühl hatte, dass es ein Fehler war, irgendeine Art von Eingeständnis. Vorsichtig nippte er daran. Das Licht fraß sich in seine Netzhaut, als er nach oben schaute.
„Wo kommen Sie her?“, fragte Katzenbaum. Er formulierte es ganz beiläufig, so wie man einen Freund fragt, ob es ihm gut geht. Rafiq war irritiert.
„Stammen Sie aus dem Libanon?“, fuhr Katzenbaum fort. „Sie sind Libanese, nicht wahr? Das ist Ihre Heimat. Sie haben für Ihre Heimat gekämpft, ja?“
„Beirut“, sagte Rafiq. Er verspürte das irrationale Bedürfnis, mehr zu sagen. Er wollte vom Jnah-Distrikt erzählen mit seinen alten Häusern, den schattigen Innenhöfen, den alten Bäumen, die im Krieg verbrannt waren. Der Kaffee war süß und stark und verströmte einen belebenden Duft.
„Ich bin in Akko geboren“, sagte Katzenbaum. „Das liegt am Meer. Die Stadt ist klein, aber sehr alt. Voller Ruinen. Beirut liegt auch am Meer, aber Beirut ist viel größer.“ Er lächelte. „Es heißt, dass die Stadt vor dem Krieg ein Juwel war. Das Paris des Nahen Ostens. Wissen Sie, ich kann Sie verstehen. Das ist eine würdige Heimat, für die es sich zu kämpfen lohnt.“
„Das würde jeder über seine Heimat sagen“, murmelte Rafiq, „egal ob es eine große Stadt ist oder ein kleines Dorf in den Bergen.“ Er fragte sich, warum Moshe Weiss nicht da war. Wusste der Alte, dass Katzenbaum allein mit ihm sprach? Hatte er ihn geschickt? Oder lief hier etwas anderes, das Rafiq nicht verstand?
„Wann sind Sie geboren?“ Katzenbaum berührte ihn leicht an der Schulter. „Haben Sie die Stadt noch kennen gelernt, bevor der Krieg ausbrach?“
„1970“, antwortete Rafiq. Er hatte das Gefühl, durch einen Schleier zu sprechen. Die Situation war unwirklich. Hier saß er, die Beine ausgestreckt, den Rücken gegen die kalte Wand gelegt, und plauderte mit diesem Mann wie mit einem Bekannten in einem Kaffeehaus. Es war ein surrealer Moment, dem eine seltene Ruhe innewohnte. Rafiq fürchtete sich davor, ihn zu zerstören.
„Ich war sechs Jahre alt“, sagte er, „als der Bürgerkrieg begann.“
Einen Tag später verlegten sie ihn erneut. Der neue Raum glich seinem Krankenzimmer mit dem Linoleumboden und den weiß gestrichenen Wänden. Es gab ein Bett und eine Toilette aus Edelstahl hinter einem Vorhang. Vor allem aber war an der Wand ein Lichtschalter eingelassen. Rafiq verspürte eine
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