Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
für ihn war. Sie wollte ihm all das zurückgeben, und da sie nun einmal so unerfahren war, würde sie eben lernen müssen, wie.
Ich hätte um nichts auf der Welt darauf verzichtet, mit dir zusammen zu sein , gab sie schüchtern zu. Sicher in ihrem Jaguarkörper, fiel es ihr leichter, ihm die Wahrheit zu gestehen.
Er kraulte ihr einen Moment das Fell. »Es ist niemand in der Nähe, kessake. Du kannst dich sicher fühlen.«
Du auch. Begierig, die Jagd zu beginnen, sprang sie auf und lief an ihm vorbei. Sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob sie gut im Bett sein würde, war deprimierend … und beängstigend. Einen gefährlichen Feind zu jagen war anregend und natürlich.
Sie kroch durch das Labyrinth von Tunneln, um mitten im Wald herauszukommen. In der kühlen Nachtluft schüttelte sie sich, und ein überwältigendes Glücksgefühl erfasste sie. Sie liebte den Wald. Auf dem Boden war die Luft still, von Gerüchen geschwängert und so sauerstoffhaltig, dass Solange sich beschwingt und von neuer Energie getrieben fühlte. Der Regenwald war dynamisch und lebendig, ständig wechselnd und doch immer derselbe. Auf den Lebenszyklus im Wald konnte sie sich verlassen, alles lebte, atmete und wuchs. Dann kamen Tod und Verfall, manchmal schnell, manchmal langsam, aber der Zyklus des Lebens war immer nährend und bereichernd.
Solange liebte den Regenwald während des Tages, doch die Nacht erschien ihr immer wie etwas Besonderes. Denn sie war ihre Welt. Vielleicht wollte sie reisen, vor allem jedoch wollte sie andere Welten als ihre eigene sehen, solange sie noch existierten. Die Zeit der Jaguarmenschen war vorüber. Es gab keinen Weg mehr, sie zu retten. Nicht, nachdem die Männer unter Brodricks Führung zu Bestien geworden waren, die Frauen mit unglaublicher Brutalität behandelten und sich an den Massakern an Frauen und Kindern beteiligten, die sie für untauglich erachteten.
Wie nur wenige ihrer Spezies wussten, hatte es in all den Jahrhunderten kein Gesetz gegeben, das Frauen schützte, und ohne Führung, die sich der Bedeutung des weiblichen Anteils der Bevölkerung bewusst war, war die Spezies dem Untergang geweiht. Solange seufzte und machte sich auf den Weg zu dem kleinen Fluss, der über ihrer Höhle verlief und ihren kleinen Wasserfall versorgte. Im Gehen lauschte sie dem Gemurmel der Tiere in dem Blätterdach über ihrem Kopf. Sie hörte Flügelschlagen und das leise Geschnatter der Affen, die sich von einem Ast zum anderen schwangen, um einen sicheren Schlafplatz für die Nacht zu suchen. Fledermäuse zogen ihre schnellen Kreise und stießen herab, wenn sie ein Insekt entdeckten, während kleine Frösche munter über Zweige und Äste hüpften.
Schon verstummte der Gesang der vielen Vogelarten, und der Ruf der Zikaden erfüllte den Wald. Auch die Frösche stimmten ihren nächtlichen Chor an und quakten einander aus den vielen Wasserpfützen auf dem Waldboden etwas vor, während die Baumfrösche viel sanftere und harmonischere Laute von sich gaben. Tellergroße Motten zerstreuten sich am Nachthimmel, Flughunde hingen an reifen Früchten, und Glühwürmchen gaben einander Signale mit einem kurzen Aufblitzen wie Neonschilder.
Solange nahm all das in sich auf, als sie durch das dichte Unterholz stapfte und gelegentlich einem Stachelschwein begegnete, das sich an Fallobst gütlich tat. Eine Schlange stürzte sich auf eine Maus. Solange erschreckte einen Gecko, der aus seinem Versteck herauskam, um zu jagen. Die hungrige Echse rannte den Baum hinauf und blickte mit funkelnden Augen durch die Blätter zu Solange herab.
Die Raubkatze schenkte den Tieren jedoch keine Beachtung und setzte ihren Weg fort, ein wenig schneller jetzt, da sie weit genug von dem Höhlenlabyrinth entfernt war. Über ihrem Kopf erschienen fluoreszierende Pilze, die mitten in der Luft zu hängen schienen. In Wirklichkeit wuchsen sie auf den Stämmen der Bäume, die mit der Dunkelheit verschmolzen.
Über mehrere Meilen behielt Solange ein schnelles Tempo bei, arbeitete sich die Anhöhen hinauf, sprang über umgestürzte Bäume und umging Termitenhügel. Das Rauschen von über Felsen fallendem Wasser war überall zu hören. Irgendwann erschreckte sie eine kleine Familie von Tapiren. Die Pflanzenfresser, die mit Pferden und Elefanten verwandt waren, sahen aus wie Schweine, nur mit einem längeren Rüssel. Die erwachsenen Tiere waren dunkler und hatten Ohren mit weißen Spitzen und einen gelben Hals, doch das einzige Junge bei ihnen hatte ein
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