Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
rotes gestreiftes und geflecktes Fell. Diese Tiere, die im und am Wasser zu Hause waren, grasten oft an Bächen und Flüssen.
Solange, die sich ihrem Ziel allmählich näherte, verlangsamte ihr Tempo, um nach Spuren von irgendetwas Großem zu suchen, das den gleichen Weg gegangen war. Die Schattenkatze musste in ihrer wahren Gestalt hierhergekommen sein. Was auch immer die Kreatur war – vielleicht sogar ein Hybride –, sie musste Anzeichen ihrer Anwesenheit hinterlassen haben.
Auch die Bäume untersuchte Solange sehr sorgfältig, weil sie sicher war, dass das Wesen ein Kater war und daher öfter die Krallen schärfen würde. Außerdem musste er Duftmarken hinterlassen haben. Möglicherweise war er von jemandem gezüchtet worden, aber es gab bestimmte Charakteristiken in der Natur einer Katze, die niemals ausgelöscht werden konnten. Und so hielt sie Ausschau nach abgerissenen Blättern und Kratzspuren entlang des Weges.
Der Pfad der Tapire war gut ausgetreten und führte geradewegs zum Fluss hinunter. Sie überquerte ihn mehrmals und witterte einen neuen, allerdings sehr schwachen Duft, der schon verblasste. Der stets präsente Regen um diese Jahreszeit half mit, die Spuren der Tiere auf ihren üblichen Routen zu verwischen, doch dieser Geruch war deutlich spürbar, weil Solange ihm noch nie zuvor begegnet war.
Sie folgte dem Duft und fand zerdrückte Pilze. Kein Zweifel, eine große Katze war über sie gelaufen. Auf einem der Pilze entdeckte Solange sogar einen Teil eines Fußabdrucks. Sie fand auch Kratzspuren an einem Feigenbaum und einen Kratzer an einer Brettwurzel, wo die Katze einen Wickelbär gejagt hatte, ein kleines Tier, das ein bisschen wie ein Frettchen aussah, aber zur Familie der Waschbären gehörte und eine bevorzugte Jaguar-Beute war. Die Schattenkatze hatte großzügig einen Farn bespritzt, an dem schon ein männlicher Jaguar seine Duftmarke hinterlassen hatte, um dem anderen Männchen das Territorium streitig zu machen. Die Schattenkatze schien im besten Alter zu sein und keine Angst davor zu haben, andere männliche Artgenossen herauszufordern. Ganz offensichtlich war sie sogar aggressiv auf einem fremden Territorium.
Solange folgte den kleinen Hinweisen – zerdrückte Blätter, ein umgedrehter Stein, ein abgeknickter Ast und ein weiterer Teilabdruck einer Pranke neben den Rinnsalen, die in den kleinen Fluss einmündeten, der ihr unterirdisches Wasserbecken speiste. Sie war sicher, dass sie die Spur der Schattenkatze gefunden hatte. In der Nähe der Uferböschung legte sie sich hin. Den Kopf auf den Pfoten, wartete sie regungslos und in dem sicheren Bewusstsein, dass die dunklen Flecken in ihrem Fell sie in dem dichten Unterholz verbargen.
Ein Zweig knackte. Die Grillen unterbrachen ihren Chor für einen Moment, und auch Solange verhielt sich völlig still und wünschte, sie hätte sich einen Platz in den Bäumen gesucht. Von dort hätte sie sehen können, was – oder wer – in ihre Richtung kam. Es war nicht Dominic; bei ihm wusste sie immer, wo er sich aufhielt. Und es handelte sich auch nicht um einen Vampir, denn es war nichts von dem Grauen zu spüren, das die Untoten um sich herum verbreiteten. Der Wald war nicht zurückgeschreckt vor der Abscheulichkeit dieser widernatürlichen Kreaturen.
Und plötzlich stieben kreischend Affen in den Bäumen auseinander. Es war also ein Jaguar – und er war in die Baumkrone hinaufgestiegen. Wahrscheinlich hatte er die Witterung der Schattenkatze aufgenommen und war gekommen, um das Tier zu jagen, das sich erdreistet hatte, ihn herauszufordern. Solange musste seine genaue Position bestimmen, ohne zu verraten, dass sie in der Nähe war.
Dominic. Wenn du mich hören kannst, komm nicht her! Hier ist ein Jaguar, und ich weiß nicht, ob er harmlos ist oder auf der Jagd.
Ich kann dich hören , antwortete Dominic sofort. Bist du in Gefahr? Ein grimmiger Unterton schwang in seiner Stimme mit. Wahrscheinlich war er wild entschlossen, seine Drohung wahr zu machen und sie in einer Luftblase einzusperren.
Solange bemühte sich, ihre Belustigung aus ihren Gedanken fernzuhalten, weil sie wusste, dass er nichts Humorvolles an der Situation sehen würde. Aber sie war ihr ganzes Leben in Gefahr gewesen, und heute war es nicht anders. So war es nun mal, im Regenwald zu leben und ein Jaguarmensch zu sein. Im Moment ist alles in Ordnung mit mir. Was hast du gefunden?
Auf leisen Pfoten suchte sie sich eine bessere Stelle und beobachtete die Bäume. Der Jaguar
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