Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
den Bäumen direkt über dem Haus. Versuch, Vazquez vor die Fenster zu locken – oder, besser noch, nach draußen! Dann müsste ich dich absichern können, falls er Gesellschaft hat. Nimmst du mehr als eine Person wahr?«
»Nicht im Haus. Im Moment ist er allein, aber jemand hält sich in dem kleineren Gebäude hinter dem Haupthaus auf, und in der Scheune scheint ein dritter Mann zu sein.«
»Aus den Bäumen müsste ich alle drei Orte abdecken können. Meine Raubkatze ist unruhig, Dominic. Für sie ist etwas sehr Beunruhigendes an diesem Ort. Sei vorsichtig!«
Er wusste, dass es Solange verlegen machen würde, doch er beugte sich zu ihr hinab, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie ausgiebig. »Vergiss nicht, was ich sagte: Jage mir nie wieder einen Schrecken ein!«
Sie rieb die Wange an seiner Hand wie die Katze, die sie war. »Keine Bange. Bring mich zu diesem Ast hinauf! Das geht schneller, als wenn ich klettern muss.«
Dominic blickte auf. Der Ast befand sich gute fünfzig Fuß über dem Boden. Die meisten Leute hätten Angst vor dieser Höhe, erst recht in einer dunklen Nacht mit wenig Mondlicht. Außerdem hatte es wieder zu regnen begonnen, und obschon es nur ein leichter Nieselregen war, würde der Ast rutschig sein. Trotzdem legte Dominic wortlos den Arm um Solanges Taille und flog mit ihr zu dem hohen Aussichtspunkt hinauf.
Es fiel Dominic schwerer, sie dort zurückzulassen, als er gedacht hatte. Aber er vertraute ihrem Urteil, und wenn ihre Katze unruhig war, stimmte irgendetwas nicht auf dieser Ranch. Dominic erwartete, einen Mann zu finden, dessen Körper von einem anderen in Besitz genommen worden war, doch er wusste, dass Solange noch etwas anderes befürchtete. Und zum ersten Mal hatte er keinen richtigen Anhaltspunkt, wer genau ihre Gegner waren – oder worum es ihnen ging. In Solanges Blut befand sich etwas, das es ungewöhnlich machte, und Dominic nahm an, dass sie jetzt die Gejagten waren – Solanges Blutes wegen. Aber wer war hinter ihr her? Die Vampire? Brodrick? Jemand anderes?
Frustriert stieß Dominic den Atem aus.
Spielt das wirklich eine Rolle? Ihre Stimme war in seinem Kopf; sie klang weich und zärtlich und strich über Nervenenden, die sich roh und wund anfühlten. Es ist meine Lebensweise, und ich habe mich vor langer Zeit dafür entschieden, genau wie du deine Lebensart gewählt hast. Unsere Feinde erwarten nicht uns beide. Sie glauben, sie hätten es nur mit einem weiblichen Jaguar zu tun, und ihnen wird ein Fehler unterlaufen – wenn dies nicht bereits geschehen ist.
Dominic dachte an diese silbernen Augen. Sich des Körpers eines anderen zu bemächtigen, ihn ohne dessen Einwilligung zu übernehmen und ihn wie eine Marionette zu benutzen, war ein abscheuliches Verbrechen. Selbst nach allem, was Dominic in seiner jahrhundertelangen Existenz gesehen hatte, konnte er sich nicht vorstellen, dass ein anderer als Xavier, der Meistermagier, der so viele Jahrhunderte zuvor den Krieg mit den Karpatianern begonnen hatte, bereit wäre, diese Grenze der Menschlichkeit zu überschreiten.
Solanges Reaktion war beruhigend. Ihre Sachlichkeit im Angesicht des Todes und die ruhige Annahme ihrer beider Lebensweisen erlaubten Dominic, sich voll und ganz auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren. Solange war keine Frau, die in Panik geraten oder, schlimmer noch, sich in unnötige Gefahr begeben würde, um irgendetwas zu beweisen. Sie war erfahren und verstand es, Situationen richtig zu beurteilen, hatte grenzenlose Geduld und wusste, wann sie sich, ohne Rücksicht auf ihr Ego, aus dem Kampf zurückziehen musste. Sie war eine gute Partnerin. Wenn nötig, würde sie ihm ohne Zögern Rückendeckung geben – oder an seiner Seite stehen. Es war etwas sehr Angenehmes, eine Partnerin zu haben, auf die man sich verlassen konnte.
Sie wusste, dass seine Beschützerinstinkte ins Spiel kommen würden, und akzeptierte das wie alles andere in ihrem gemeinsamen Leben. Irgendwie war Solange zu seiner Welt geworden und hatte alles darin verbessert.
Wer auch immer in der Scheune war, ist jetzt im Haus bei Santiago Vazquez. Ich konnte ihn gut sehen und habe ihn nicht erkannt. Ich kenne die meisten der Menschen, die im Labor arbeiten, und auch fast alle Jaguarmänner. Dieser Mann stammt nicht aus dieser Gegend.
Dominic erreichte unbemerkt die Veranda. Jemand lief drinnen herum, und Dominic konnte eine Stimme aus dem hinteren Teil des Hauses hören. Der Mann, den er für Vazquez hielt,
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