Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
habe, kann ich sehen, dass er sich nach Kräften bemüht, sie glücklich zu machen.
Wie ich dich glücklich machen würde. Ich habe zu viele Jahre gewartet, csitri, und meine Zeit auf dieser Erde nähert sich dem Ende. Ich habe Vampirblut zu mir genommen, um so vielleicht in das Lager unseres größten Feindes hineingelangen und sie ausspionieren zu können. Ich werde also nicht zu dir kommen können. Schon jetzt verzehrt mich dieses Blut, vielleicht schneller sogar, als ich es für möglich hielt. Mir bleiben nur noch wenige Tage, um meine Aufgabe zu vollenden, bevor ich die Morgendämmerung aufsuchen muss oder im Kampf gegen die Vampire fallen werde. In meinem Leben konnte ich dich nicht finden, doch ich bewahre mir die Hoffnung auf das nächste.
Solange blieb fast das Herz stehen. Namenlose Panik erfasste sie. Träume endeten nicht so, nur Albträume. Der Mann war nicht real, aber er war die einzige Realität für sie, wenn das Leben unerträglich wurde und sie nirgendwo sonst hingehen konnte. So lächerlich es auch klang: Sie hatte sich verliebt, in diesen Mann mit den Narben eines Kriegers, dem Gesicht eines Engels und Dämons zugleich und der Seele eines Dichters.
Nein. Ich lasse dich nicht gehen. Auf keinen Fall. Du bist alles, was ich habe. Du kannst mich nicht allein lassen.
Er strich ihr übers Haar und ließ die seidigen Strähnen durch seine Finger gleiten. Glaub mir, meine Kleine, ich würde auch lieber bei dir in unserer Traumwelt bleiben. Du hast mir so oft über Momente hinweggeholfen, die ich mehr als nur beunruhigend fand. Aber ich habe eine Verpflichtung meinen Leuten gegenüber.
Ihre Kehle wurde eng von unerwarteten Tränen. Und wenn ich die Seelengefährtin sein sollte, von der du sprichst, hast du dann nicht in erster Linie mir gegenüber eine Verpflichtung?
Er lächelte traurig. Wärst du wirklich meine Seelengefährtin, hättest du mir Farben und Emotionen zurückgegeben, als ich deine Stimme hörte.
Du bist traurig. Das kann ich in deinen Augen sehen und in deiner Stimme hören.
Das ist nur ein Trick, csitri. Ich wünsche mir diese Emotionen und entnehme sie Erinnerungen. Du hast mich diese letzten paar Jahre aufrechterhalten, und ich danke dir dafür.
Nein! Ich gebe dich nicht auf. Es war selbstsüchtig von ihr. Er hatte ein Recht auf seinen Edelmut und seine Opferbereitschaft. Hatte sie nicht auch ihr ganzes Leben für die Frauen ihrer Spezies geopfert? Aber ihn den Vampiren zu überlassen …
In ihrer Verzweiflung, ohne ihre Entscheidung wirklich zu durchdenken, wechselte Solange die Gestalt, gleich dort oben in der Biegung des Kapokbaumes, und rief nach dem einzigen Mann, der ihr etwas bedeutete. Solange Sangria, die Frau, die nie einen Mann gebraucht – oder gewollt – hatte, die von königlichem Blut und mächtig war aufgrund der eigenen Fähigkeiten. Eine berühmte und gefürchtete Kriegerin.
In ihrer menschlichen Gestalt, mit ihrer eigenen Stimme, aus Verzweiflung und aus Not heraus und voller Angst, dass der Geliebte aus ihren Träumen real sein könnte und sich in Gefahr begeben würde, um sein Leben für sein Volk zu opfern, erhob sie die Stimme zum Himmel und ließ sie von den Luftströmungen nach nah und fern tragen. Sie erniedrigte sich vor den Waldbewohnern, um ihn zu retten – und sich selbst.
»Verlass mich nicht!« Die Worte kamen wie ein Aufschrei aus ihrer Kehle und ihrer Seele und verbreiteten sich wie das Blut ihrer Familie auf dem Boden, wo alle, die sie liebte, abgeschlachtet worden waren und sie allein gelassen worden war – als letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit für die Frauen und Kinder ihrer Spezies.
Der Klang ihrer Stimme ließ die Vögel aus den Bäumen aufsteigen und drang durch den Wald wie der Wind, wo er jede leere Stelle füllte. Ihr Kummer war so gewaltig, dass sogar die Baumriesen erzitterten und die Tiere mit dem Regen weinten.
3. KAPITEL
Aber dann, jenseits aller Hoffnung,
erschienst du mir im Traum …
Mit den glühenden Augen einer Katze,
doch bedürftig wie ein Kind.
Dein Kriegerherz loyal.
Dein angstvolles »Verlass mich nicht!«
Dein Kopf in meinem Schoß: Csitri! Stark und wild.
Dominic zu Solange
D ie Vögel verstummten. Das Geschrei der Affen erstarb. Sogar die Insekten hielten den Atem an. Alles im Urwald verharrte. Farbe explodierte förmlich hinter Dominics Augen, blendete ihn sogar im Körper des Adlers, sodass er für einen Moment nichts anderes sehen konnte als lebhafte, kräftige Farben, alle möglichen
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