Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Gleichberechtigung?«
Er lächelte. Es war ein gutes Lächeln. Vielleicht sind wir gleichaltrig, dachte Gerda. Jetzt ist er wieder ernst. Wenn er ernst ist, sieht er besser aus.
»Es ist entsetzlich«, sagte er. »Furchtbar.«
»Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
»Das ist auch schon ziemlich lange her.«
»Wie lange?«
»Bestimmt ein Jahr. Noch länger.«
»Aber so lange hatte sie doch keine Elternzeit?«
»Ich weiß … es nicht«, sagte Likander. »Ich habe sie ja nicht näher gekannt.«
»Wo war es?«
»Wie bitte?«
»Wo haben Sie sich getroffen?«
»Am Arbeitsplatz natürlich.«
»Haben Sie sich nicht auch woanders getroffen?«
»Warum hätten wir das tun sollen?«
Er sah ehrlich erstaunt aus. Er trug keinen Ring am Finger. Sandra hatte einen Ring getragen.
»Hat die Frage Sie schockiert?«
»Fast.«
»Verstehen Sie, warum ich sie stelle?«
»Nein.«
»Wir versuchen herauszufinden, mit wem … Sandra verkehrt hat. Wen sie in ihrem Leben getroffen hat.«
»Dann müssen Sie wohl mit ihrem Mann Jovan sprechen.«
»Natürlich. Kennen Sie ihn?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nur als … Kollegen. Aber er war ja nicht so oft hier.«
»Können Sie mir sagen, wen Sandra getroffen hat?«
»Nur was die Kollegen hier angeht. Aber das können Sie von jedem erfahren.«
»Okay.«
»Herrgott«, sagte er.
»Was ist?«
»Es ist so furchtbar.«
»Ja.«
»Es muss ein Irrer gewesen sein.«
Sie schwieg.
»Blöd ausgedrückt«, sagte er. »Wer sonst als ein Irrer kann so etwas tun?«
Es gibt viele Arten von Irrsinn, dachte sie. Er sieht normal aus. Er scheint auch in einer Situation wie dieser normal zu sein. Vielleicht ist er normal.
»Herrgott«, wiederholte er.
Sie nickte, unklar, wozu.
»Sie werden den Täter doch wohl hoffentlich finden«, sagte er.
»Ja.«
»Kann das lange dauern?«
»Warum fragen Sie das?«
»Ich will, dass das … das Monster so schnell wie möglich festgenommen wird.«
»Das wollen wir alle«, sagte sie.
Er sah sie an. Es war ein musternder Blick, nicht unangenehm. In seinen Augen war kein Grün. Ungewöhnlich.
»Sie haben einen ungewöhnlichen Beruf.«
»Das finde ich nicht.«
»Sind Sie … schon lange Detektiv?«
»Es heißt Kriminalinspektor. Und nein, noch nicht sehr lange.«
»Wie wird man das?«, fragte er.
»Jetzt fragen Sie mich aus«, sagte sie.
»Ja«, sagte er. Vielleicht lächelte er, vielleicht nicht.
»Zuerst muss man auf die Polizeihochschule gehen«, sagte sie.
»Gibt es keine Abkürzung?«
»Nein.«
»Und dann muss man sich als klug genug erweisen, um Kriminaler zu werden?«
»Darum geht es nicht«, sagte sie.
»Vielleicht das Gegenteil?«
»In etwa.«
»Glaub ich nicht. Dann würden Sie nicht hier sitzen.«
»Warum sitze ich hier?«, fragte Hoffner.
»Weil Sie Ihren Job machen«, sagte er.
»Danke. Ich komme bestimmt noch einmal wieder.«
»Arbeiten Sie ständig?«
»Wie bitte?«
»Arbeiten Sie immer, oder haben Sie auch mal frei?«
»Wieso?«
»Darf ich Sie einmal zu einem Glas einladen?«, fragte er. »Ich meine, wenn Sie frei haben.«
»Das kommt reichlich schnell.«
»Ist mir noch nie passiert. Ich schwöre. Ich weiß nicht, warum ich … es kam einfach so. Entschuldigung.«
»Ich glaube nicht, dass ich in der nächsten Zeit freihaben werde«, sagte sie.
28
Er stand wieder am Fenster. Er war allein in dem hübschen Zimmer. Von den Bergen waren Regenwolken hereingezogen, ein Sturm würde aufkommen, der in wenigen Minuten vorbei wäre. So war das hier. Die Erde konnte sogar weiß werden, im vergangenen September hatte der Sturm Hagelkörner mitgebracht, die so groß wie Schneeflocken waren, steinharte Schneeflocken, Bäume an der Avenida Antonio Belon waren umgefallen, Autos waren beschädigt worden, alles war weiß gewesen, weiß, weiß. Der Strand unterhalb der Avenida del Duque de Ahumada hätte im Norden liegen können, vor Kullavik, Billdal, Särö. Stora Amundö.
Es hätte Weihnachten sein können. Er drehte sich um, versuchte sich zu erinnern, wann es gewesen war. Es war drei Jahre her, wurde ihm klar. Siv sollte am Nachmittag des Heiligen Abend mit dem Flieger von Malaga in Göteborg landen. War es so? Gab es Flüge am Heiligen Abend? Nach Spanien konnte man Heiligabend fliegen.
Winter kehrte ans Bett zurück und setzte sich. Die Schläuche in ihrer Nase bewegten sich über das Gesicht, aber nur ein wenig. Sie schlief wieder, und darüber war er froh.
Er dachte an
Weitere Kostenlose Bücher