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Das dunkle Herz Kashas

Das dunkle Herz Kashas

Titel: Das dunkle Herz Kashas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liandra diLuna
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Überzeugungen schäme ich mich nicht. Ich sehe keinen Grund, warum ich dir gegenüber nicht offen sein sollte.“
    Hieß das, dass es Dinge gab, für die er sich schämte? Auch diese Frage blieb jedoch ungestellt. Stattdessen bat ich ihn, mir mehr über das Kernland zu erzählen. Mir schien, dass unsere Lehrmeisterinnen im Heiligtum uns denkbar wenig über diesen Teil Kashas beigebracht hatten. Mir war weder klar gewesen, dass es hier gefährliche Tiere gab, noch dass es einen Fluch und einen Herrscher gab, dem es offenbar Freude bereitete, andere zu quälen. Es hatte nur geheißen, dass die meisten Kasha die Nebelwälder mieden. Priesterin Tia hatte das Kernland „böse“ genannt; dies schien mir jedoch weder dem Kernland und seinen Bewohnern, noch dem Fluch an sich gerecht zu werden. Am ehesten mochte noch der geheimnisvolle, magiekundige Herrscher über die Kasha des Kernlandes diese Bezeichnung verdient haben.
    Xerus schüttelte den Kopf. „Für heute habe ich genug geredet. Ich würde dir lieber etwas zeigen. Komm mit.“
    Er führte mich durch die Nebel zu einem Baum, gegen den der Riese, dessen Wurzeln uns einen Schlafplatz bereitet hatten, klein war. Sein Stamm wurde von einer rauen, blassgrauen Rinde geschützt und war so dick, dass ihn zehn Novizinnen gerade eben umfassen könnten, wenn sie einander an den Händen hielten. Seine Äste waren weit ausladend und bildeten ein breites, grünblaues Dach. Die Blätter hatten ebenfalls eine raue Oberfläche und wiesen alle Schattierungen von Blau und Grün auf, die ich mir vorstellen konnte.
    „Wunderschön“, flüsterte ich. „Dieser Baum muss unfassbar alt sein...“
    Xerus nickte. „Das ist er. Und doch ist er noch immer voll Lebenskraft. Er wächst mit jedem Jahr weiter als wolle er den Nebeln entfliehen und die Sonne und die Monde erreichen.“
     
    In den folgenden Tagen streiften wir kreuz und quer durch die Wälder. Xerus lehrte mich die Namen der Bäume, Büsche, Gräser und Tiere, auf die wir stießen. Er erklärte mir, welche Pflanzen wie gepflückt und zubereitet werden mussten, um genießbar zu sein oder eine heilende Wirkung zu entfalten. Über jedes Tier konnte er mir Auskunft geben, ob es Pflanzen fraß oder jagte, ob es allein oder in Rudeln und Herden lebte, was seine besonderen Stärken waren, wen es fürchtete, wie viele Junge es bekam und wie es diese aufzog. Ich staunte darüber, wie viel Xerus über die Wälder und ihre Bewohner wusste. Immer stärker wurde mir bewusst, wie sehr er diese Gegend, in der zu bleiben er gezwungen war, mit all ihren Lebewesen liebte und schätzte.
    Xerus ließ sich von mir berichten, wie mein Leben im Heiligtum des Gottes ausgesehen hatte. Ich erzählte ihm alles, über das zu reden mir erlaubt war. Die genauen Abläufe und Wortlaute der Rituale und Kämpfe, die nur von Priesterin an Novizin weitergegeben werden durften, behielt ich für mich. Obwohl Xerus mir nicht verheimlichte, dass er von den festen Abläufen unseres Lebens im Heiligtum und unseren Vorstellungen darüber, wie die Gottheiten Kashas alle Lebenspfade der Kasha begleiteten und lenkten, nichts hielt, war sein Tonfall stets respektvoll. Er zeigte ehrliches Interesse an unseren Ansichten und daran, wie ich das Leben im Rhythmus der Übungen, Fürbitten, Rituale und Opferungen erlebt hatte. Ich war erleichtert, dass er mich nicht dafür verurteilte, dass ich durch meine Missachtung der Regeln des Heiligtums in Ungnade gefallen und in Schande ausgestoßen worden war. Ebenso dankbar war ich ihm, dass er sich trotz aller Zweifel und Skepsis niemals abfällig über die Hohepriesterinnen, die Orakel und die Kasha im Allgemeinen äußerte.
     
    Neben meinen Freundinnen, mit denen ich aufgewachsen und in das Wissen und die Regeln des Gottes eingeweiht worden war, fehlten mir die täglichen Kampfübungen am meisten. Diese hatte ich vom ersten Tag an geliebt. Als ich Xerus davon berichtete, grinste er. Seine zweifarbigen Augen funkelten. „Wenn es das ist, wonach dein Herz sich sehnt... Du kannst mit mir kämpfen, wenn du möchtest. Ich bin vielleicht etwas aus der Übung – es ist lange her seit mich mein Vater den Umgang mit dem Schwert gelehrt hat - aber ich bin gern bereit, mir von dir zeigen zu lassen, wie die Novizinnen eures Gottes kämpfen. Gewiss kann ich von dir lernen.“
    „Gern!“ stimmte ich sofort begeistert zu. „Doch soweit ich bisher gesehen habe, trägst du kein Schwert...“ 
    „Meinst du?“ Wieder schenkte Xerus mir ein

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