Das dunkle Labyrinth: Roman
heraus, wer an ihn herangetreten ist, ob er je die zweite Rate erhalten hat, ob er weiß, wer ihn angeworben hat. Und vor allem müssen Sie aufzeigen, was Havilland vorhatte: Was war es, das bei Argyll den Wunsch nach seinem Tod auslöste? Alles, was Sie bisher haben, ist ein Ingenieur, der die Nerven verlor und den Leuten lästig wurde. Wegen so etwas begeht kein geistig zurechnungsfähiger Mensch einen Mord. Listen Sie mir im Einzelnen auf, was Argyll zu verlieren hat, und finden Sie Indizien, die ihn be-und Sixsmith entlasten.«
»Wenn Argyll nicht vorhatte, die Grabungen einzustellen, hatte Sixsmith doch bestimmt kein Interesse an Havillands Tod!«, argumentierte Monk. »Das Motiv ist dasselbe.«
»Eben«, stimmte ihm Rathbone zu.
»Doch es ist Argylls Gesellschaft, nicht die von Sixsmith«, fuhr Monk fort. »Sixsmith kann überall Arbeit finden. Er ist ein verdammt guter Ingenieur mit einem hervorragenden Ruf.«
»Den er bei einem Einsturz verlieren würde«, bemerkte Rathbone trocken.
Monk stand auf. »Ich komme dahinter. Wie lange habe ich Zeit?«
»Bis zum Prozess. Drei Wochen.«
»Dann fange ich besser gleich an.« Monk ging zur Tür.
»Monk!«
Er drehte sich noch einmal um. »Ja?«
»Nehmen Sie sich in Acht! Wenn Sie Recht haben, und es ist Argyll … Er ist ein sehr mächtiger Mann, und Sie haben einen gefährlichen Beruf.«
Monk starrte den Anwalt verblüfft an. Rathbones Gesicht verriet eine Herzensgüte, die er bei ihm nicht erwartet hatte. »Das werde ich«, versprach er. »Ich habe gute Männer an meiner Seite.«
Als Erstes unterhielt sich Monk mit Runcorn. Diesem war vermutlich ebenso klar wie Rathbone, dass ihre Beweise mehr als dürftig waren. Dennoch erläuterte Monk die Rechtslage, während Runcorn mit grimmiger Miene hinter seinem Schreibtisch saß und zuhörte.
»Wir müssen mehr über diesen Mann in der Remise erfahren«, sagte er, als Monk geendet hatte. »Wir könnten vielleicht eine bessere Beschreibung von ihm bekommen, wenn wir den Kutscher etwas mehr unter Druck setzen.« Seine Wangen färbten sich leicht rötlich. »Und wir werden auch Mrs. Ewart fragen müssen, ob ihr vielleicht doch noch was einfällt.«
Es überraschte Mrs. Ewart, sie wiederzusehen, aber sie zeigte sich alles andere als verärgert. Sie trug kein rotes, sondern ein dunkles Wollkleid, das ihrem Gesicht mehr Wärme verlieh, und sie wirkte weniger angespannt als beim letzten Mal. Monk fragte sich, ob das womöglich daran lag, dass ihr Bruder um diese Zeit nicht zu Hause war.
Sie empfing sie im Salon, wo ein prasselndes Kaminfeuer für angenehme Wärme sorgte. Das Zimmer entsprach nicht unbedingt dem, was Monk erwartet hatte, denn es hatte etwas Hochtrabendes, das keine wirkliche Behaglichkeit aufkommen ließ. Die Gemälde an der Wand waren groß und von massiven Rahmen eingefasst, eher etwas, was man aufhängt, um damit Eindruck zu schinden, nicht weil man es mag. Wie der geschnitzte Elfenbeinschmuck auf dem Kaminsims und die in Leder gebundenen Bücher an der Wand, drückten die Bilder nichts Persönliches aus. Die Bücher standen nebeneinander, waren alle von derselben Größe und Farbe, makellos, als wären sie noch nie gelesen worden. Dann fiel Monk wieder ein, dass diese Frau Witwe war und dass das Haus Barclay gehörte, nicht ihr. Er überlegte einen Moment lang, wie sie es wohl eingerichtet hätte.
Ihr Blick war auf Runcorn gerichtet. Sie wirkte in der Morgensonne weniger müde als bei ihrem ersten Treffen, verriet aber beim Lächeln dieselbe Traurigkeit in den Mundwinkeln und in den klugen Augen.
Runcorn hielt ihrem Blick stand. »Es tut mir sehr leid, dass wir Sie schon wieder belästigen, Ma’am. Aber wir sind dieser Angelegenheit weiter nachgegangen, und es erscheint gut möglich, dass der Mann, den Sie gesehen haben, Mr. Havilland erschossen haben könnte. Ein Mann ist wegen des Verdachts, ihn angeworben zu haben, verhaftet worden. Der Prozess gegen ihn wird bald eröffnet, aber wenn wir nicht beträchtlich mehr Informationen sammeln, kommt er womöglich davon.«
»Natürlich«, sagte sie eilig. »Sie müssen den Mann, der das zu verantworten hat, unbedingt stellen. Aber was kann ich schon tun, um Ihnen zu helfen? Ich habe keine Ahnung, wohin er gegangen ist, außer dass er zur Hauptstraße lief. Ich könnte mir vorstellen, dass er einen Hansom finden und die Gegend so schnell wie möglich verlassen wollte.«
»Oh, das tat er, Ma’am; wir haben seine Spur bis zum Piccadilly Circus
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