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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Junge trug noch immer seine neuen unterschiedlichen Stiefel und den Mantel, der ihm bis zu den Schienbeinen reichte. Neu hinzugekommen war ein breitkrempiger Stoffhut, der ihm immer wieder über die Ohren rutschte. Er brauchte ein Band an der Innenseite, mit dem sich der Hut enger machen ließe. Monk überlegte, wie er Scuff das sagen konnte, ohne seine Gefühle zu verletzen.
    »Guten Morgen«, begrüßte er den Jungen freundlich.
    Scuff musterten ihn kritisch. »Geht’s gut?«
    Monk lächelte. »Wird besser, danke.« Er wusste, dass die Nachfrage sich nicht auf seine Gesundheit bezog, sondern auf seine Fähigkeiten in seinem neuen Arbeitsgebiet. »Mr. Orme ist ein guter Mann.«
    Scuff schien sich nicht so sicher, ob er so weit gehen würde, einen Polizisten als »gut« zu bezeichnen, aber immerhin widersprach er nicht. »Clacton is’n übler Kerl«, sagte er stattdessen. »Achten Sie auf ihn, sonst kriegt er Sie dran.«
    »Ich weiß«, stimmte ihm Monk zu. Allerdings wunderte ihn, dass der Junge so viel wusste.
    Scuff war nicht beeindruckt. »Tatsächlich? Sie kommen mir nich’ so vor wie einer, der viel weiß. Diese Diebe haben Sie immer noch nich’ geschnappt, was?« Das war eine Herausforderung, keine Frage. »Und lassen Sie sich bloß nich’ dazu überreden, sich mit Fat Man anzulegen. Von denen, die das versucht haben, lebt keiner mehr.« Sein schmales Gesicht war von Sorgen gezeichnet.
    Vielleicht war die Anteilnahme in erster Linie auf all die warmen Mahlzeiten zurückzuführen, dennoch freute sie Monk, obwohl er sich zugleich auch schuldig fühlte. »Eigentlich bin ich hinter etwas anderem her«, meinte er, um Scuff von diesem Thema abzulenken. Orme und er hatten sich auf eine Reihe von Maßnahmen geeinigt, die Orme ohne ihn ausführte, aber es hatte wirklich keinen Sinn, dem Jungen Angst einzujagen. »Im Augenblick habe ich damit zu tun, einen Mann aufzutreiben, der vor gut zwei Monaten jemanden umgebracht hat.«
    »Sind Sie da nich’n bisschen spät dran?« Scuff verzog geringschätzig das Gesicht. Dass dieser Mann derart unfähig sein konnte, verwirrte und beunruhigte ihn. Aus welchem Grund auch immer, er schien sich für ihn verantwortlich zu fühlen.
    Bei aller Rührung ärgerte Monk sich darüber. In einem Versuch, sich wieder Respekt zu verschaffen, begann er, sich zu verteidigen. »Die Polizei ging am Anfang von Selbstmord aus. Dann stürzte seine Tochter von der Brücke, und das war mein Fall. Bei der Untersuchung der Vorgeschichte bin ich auf die Sache mit dem Vater gestoßen, und nun spricht einiges für die Annahme, dass es doch kein Selbstmord war.«
    »Was meinen Sie damit: ›Sie is’ von der Brücke gestürzt‹«, wollte Scuff wissen. »Niemand fällt einfach runter. Das geht überhaupt nich’! Da sind Geländer und so was. Hat sie auch einer umgebracht, oder is’ sie gesprungen?«
    »Da bin ich mir auch nicht sicher«, meinte Monk mit einem unbehaglichen Lächeln. »Dabei habe ich es sogar gesehen! Aber wenn zwei Menschen in einiger Entfernung miteinander ringen und die Sicht in der Dämmerung kurz vor dem Anzünden der Lampen eingeschränkt ist, lässt sich das schwer beurteilen.«
    »Aber ihr Papa is’ von’nem andern umgebracht worden?«, beharrte Scuff.
    »Ja. Der Mann wurde gesehen, als er den Ort verließ. Ich weiß schon ziemlich genau, wie er aussah, und dass er vom Piccadilly Circus in Richtung Osten fuhr.«
    Scuff ließ ein verzweifeltes Stöhnen hören. »Das is’ alles, was Sie haben? Ich weiß nich’, was ich mit Ihnen machen soll!« Er schniefte und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab.
    Monk verbarg nur mit Mühe ein Grinsen. Der Junge hatte ihn offensichtlich adoptiert und empfand den Verdruss eines Vaters über ein unmögliches Kind. »Tja, du könntest mir vielleicht einen Rat geben«, schlug er taktvoll vor.
    »Vergessen Sie’s!«
    Monk war überrascht. »Du willst mir keinen Rat geben?«
    Scuff bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick. »Das war doch mein Rat! Sie werden den Kerl nämlich nich’ finden!«
    »Vielleicht nicht, aber ich werde es versuchen«, entgegnete Monk bestimmt. »Er hat einen Mann ermordet und es wie Selbstmord aussehen lassen, sodass der Mann außerhalb eines christlichen Friedhofs beerdigt wurde und sogar seine Familie ihn für einen Feigling und Sünder hielt. Das hätte seiner jüngsten Tochter beinahe das Herz gebrochen, und sie setzte alles daran zu beweisen, dass das nicht stimmt. Und jetzt sieht es so aus, als wäre sie

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