Das dunkle Labyrinth: Roman
ebenfalls umgebracht worden. Doch auch sie ist als Selbstmörderin gebrandmarkt worden und hat kein Begräbnis in geweihter Erde erhalten.«
Scuff musste schnell laufen, um mit Monk mithalten zu können. »Mann, Sie sind übergeschnappt!« Doch sein Ton verriet Bewunderung. »Na ja, wenn Sie sich nix sagen lassen, dann helfe ich Ihnen wohl besser. Wie sieht er denn aus, der Mann, der den Papa von dem Mädchen umgebracht hat?«
Monk überlegte kurz. Was riskierte er, wenn er es Scuff sagte? Wenn er vage blieb, überhaupt nichts. »Er ist dünn und hat dunkles Haar«, sagte er.
Scuff sah ihn vorwurfsvoll an, mit zusammengekniffenen Lippen und einem verletzten Ausdruck in den Augen. »Sie trauen mir nich’!«
Monk spürte einen Knoten im Magen, und schon regten sich Schuldgefühle. Was konnte er tun, um die Beleidigung zurückzunehmen? »Ich will dich da einfach nicht hineinziehen«, gestand er ihm. »Wenn dieser Mann Menschen für Geld umbringt, wird er nicht lange zögern und auch dich aus dem Weg räumen, wenn du ihm in die Quere kommst.«
»Mich?«, rief Scuff empört. »Ich bin nich’ halb so unbeleckt wie Sie! Ich kann auf mich aufpassen! Sie glauben wohl, dass ich nix im Kopf hab, oder was!«
»Ich glaube, dass du eine ganze Menge im Kopf hast – genug, um dem Mann zu nahezukommen und dein Leben zu gefährden!«, konterte Monk. »Lass die Finger davon, Scuff! Das ist was für die Polizei. Und du hast Recht, ich werde ihn wahrscheinlich nie finden. Aber mir kommt es vor allem auf den Mann an, der ihn bezahlt hat. Den will ich kriegen.«
Eine Weile ging Scuff schweigend neben ihm her. Nach etwa fünfzig Metern überquerten sie die Straße und bogen in die Richtung der Baustelle ab. »Werden sie das Mädchen dann richtig beerdigen?«, fragte er schließlich.
»Dafür werde ich sorgen«, antwortete Monk, erfreut, dass der Junge den Sachverhalt so schnell begriffen hatte. »Mir ist kalt. Möchtest du auch was Heißes zu trinken?«
»Hab nix dagegen«, murmelte Scuff, wenn auch widerstrebend. Die Kränkung von vorhin hatte er immer noch nicht überwunden. »Wenn dieser Mann nich’ am Fluss umgebracht worden is’, warum kümmern sich dann nich’ die normalen Polizisten darum?«
»Die sind auch dahinter her.« Sie bogen um eine Ecke und entfernten sich vom Fluss, wo der Wind am schlimmsten war. Die vereisten Bürgersteige waren gefährlich glatt. Ein Kohlekarren ratterte über die Pflastersteine. Aus den Nüstern der Pferde stiegen Dampfwolken in den Himmel.
»Denen trauen Sie wohl auch nich’«, bemerkte Scuff mürrisch.
»Das ist keine Frage des Vertrauens«, belehrte ihn Monk. »Wir sind auf jede Hilfe angewiesen. Irgendwo in London hält sich ein Mann versteckt, der sein Geld damit verdient, dass er Menschen umbringt! Ich weiß, wie er aussieht, aber das ist auch schon alles. Er hat einen Mann erschossen und den Tod dessen Tochter verursacht. Ein unschuldiger Mann muss wegen der Morde vielleicht ins Gefängnis, während derjenige, der ihn bezahlt hat, ungeschoren davonkommt. Und, was noch schlimmer ist, wir werden den wahren Grund dafür nie beweisen können. Außerdem könnte es in einem der neuen Abwassertunnel zu einem Einsturz mit dutzenden von Toten kommen! Deshalb muss ich mein Bestes versuchen, egal, wie schwierig das sein mag. So, und jetzt lass uns eine Tasse Tee und eine heiße Pastete für jeden von uns kaufen. Und hör endlich auf zu schmollen!«
Darüber dachte Scuff mehrere Minuten lang schweigend nach. Schließlich brach er die Stille. »Und Sie wissen nix, außer dass er dünn is’ und dunkle Haare hat?« Er schenkte Monk ein strahlendes Lächeln. »Jemand hat ihn gesehen. Also müssen Sie mehr wissen als bloß das!«
»Er hatte eine schmale Nase und ziemlich große Augen«, gab Monk zu. »Blau oder grau. Und seine Zähne waren ungewöhnlich spitz.«
Scuff zuckte mit den Schultern. »Oh, na gut, vielleicht finden Sie ja was. Dort drüben auf der andern Straßenseite is’n Mann, der wirklich gute Pasteten verkauft.«
»Und Tee?«
Scuff verdrehte entnervt die Augen. »Natürlich hat er auch Tee! Ohne Tee nützt doch die beste Pastete nix!«
Am Nachmittag verbannte Monk den Fall Havilland mit all seinen Verwicklungen aus seinem Bewusstsein und wandte sich seinen Aufgaben als Dienststellenleiter bei der Wasserpolizei zu. Die Diebstähle mussten aufgeklärt werden. Das schuldete er Durban und – mehr noch – Orme. Und schließlich galt es noch, das Problem Clacton zu
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