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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Wut, beherrschte sich aber schnell wieder. Nach einer kurzen Pause entgegnete er besonnen: »Wenn Sie zum Polizeibeamten, egal, welchen Ranges, bis hin zum Superintendent taugen, wird Ihnen an diesem Fall liegen und nicht an Ihrem winzigen Zuständigkeitsbereich. Ich weiß nicht, ob sie gesprungen, gefallen oder gestoßen worden ist. Ich habe die Situation beobachtet, aber bei Dunkelheit und aus einer Entfernung von fast hundert Metern. Außerdem war ich am Fluss unten und musste ständig nach oben schauen.« Warum ihm der Fall so sehr am Herzen lag, wollte er Runcorn nicht erklären. Dieser Mann hatte kein Recht, Hesters Geschichte zu erfahren. »Wenn ich Klarheit darüber hätte, was Havilland geschehen ist, könnte mir das weiterhelfen.«
    Runcorn gab ein Grunzen von sich. Dann holte er tief Luft und ließ sie langsam entweichen. Seine Schultern sackten etwas nach unten. »Oh. Klarheit. Hm, die brauchen Sie wohl in der Tat. Setzen Sie sich.« Er deutete auf einen mit Dokumenten beladenen Holzstuhl und ließ sich auf seinem weichen Ledersessel hinter dem Schreibtisch nieder.
    Monk legte den Papierstapel auf den Boden und nahm Platz.
    Ein Schatten fiel auf Runcorns Gesicht. Sein ganzes Berufsleben lang hatte er sich mit dem Tod befasst, aber kein Fall hatte ihn anscheinend so sehr bewegt wie dieser.
    »Der Stallknecht hat ihn am Morgen gefunden«, begann er, den Blick auf seine großen Hände gesenkt. »Der Junge lebte offenbar eine gute Meile von seiner Arbeitsstätte entfernt und kam jeden Tag zu Fuß dorthin. Die Stallungen sind recht klein, und in dem Raum darüber wurde das Zaumzeug und dergleichen aufbewahrt. Der Junge hätte im Stroh schlafen können, aber er hatte offenbar eine Tante in der Gegend und bekam bei ihr gegen Hilfe ein Bett und Verpflegung. Er kam uns von Anfang an ehrlich vor, und als wir ihm trotzdem auf den Zahn gefühlt haben, hat sich das bestätigt. Er war die ganze Nacht daheim, und Havillands Butler hat uns gesagt, dass sie nie Ärger mit ihm hatten.«
    Monk nickte.
    »Der Stallknecht ist gegen sechs angekommen«, fuhr Runcorn fort, »fand seinen Herrn auf dem Boden liegen, da, wo sie das Heu und das sonstige Futter gelagert haben. Lag auf dem Rücken. Kugel durch den Kopf geschossen. Mitten durchs Gehirn. Muss in der Mitte des Stalls gestanden haben und dann nach hinten gefallen sein. Das Blut klebte genau dort, wo man es erwarten würde. Die Pistole war ihm aus der Hand gefallen, lag aber weniger als eine halbe Armeslänge von ihm entfernt.«
    Monk bekam eine Gänsehaut.
    »Der Junge hat den Butler alarmiert. Kann mich momentan nicht an seinen Namen erinnern. Carter oder so ähnlich.«
    »Cardman«, half ihm Monk.
    »Genau.« Runcorn blinzelte mehrmals. »Er ist sofort nachsehen gegangen. Es war so, wie der Junge gesagt hatte. Cardman hat dann gleich den Jungen zur Polizei geschickt. Es war schon fast acht Uhr, als ich dort eintraf. Ich kannte Havilland nicht persönlich, aber sein Name war mir ein Begriff. Kaum zu fassen, dass er sich das Leben genommen haben soll.« Plötzlich sah er zu Monk auf. »Eines lehrt einen die Arbeit bei der Polizei: Man weiß nie, was im Gehirn eines anderen vor sich geht. Gefühle von Liebe und Hass, die sich die nächsten Angehörigen nicht mal vorstellen können.«
    Monk nickte. Zum ersten Mal nörgelte er nicht herum. Er versuchte, sich Runcorn und die ganze Szene vorzustellen – das kleine Gatter, das Stroh, das lederne Zaumzeug, das Schimmern des Laternenlichts im polierten Messing, den Toten, wie er auf dem Boden lag, und den süßlichen Geruch nach Blut. »Waren die Pferde sehr verängstigt?«, fragte er. »Irgendwelche Verletzungen?«
    Runcorn legte die Stirn in Falten »Nein. Etwas nervös. Sie haben wohl das Blut gerochen und natürlich den Schuss gehört, aber nichts war durcheinander wie nach einem Kampf. Keine Wunden, kein eingetretenes Holz, keine Striemen, und keines von den Tieren war am Durchdrehen. Und bevor Sie mich danach fragen, am Toten selber war auch nichts festzustellen: keine Prellungen, die Kleider tadellos. Ich würde meinen guten Ruf darauf verwetten, dass niemand vor dem Schuss mit ihm gerungen oder gekämpft hat. So, wie er dalag, hat er sich entweder selbst erschossen – worauf alle Anzeichen hinwiesen -, oder aber derjenige, der ihn umgebracht hat, war höchstens einen halben Meter von ihm entfernt, weil in diesem kleinen Raum einfach nicht mehr Platz war.«
    »Und nichts wurde gestohlen? Nichts fehlte?«, fragte Monk und

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