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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gut gepolstert. Keine Schulden oder unbelegte Ausgaben. Er spielte nicht. Falls ihn jemand erpresste, dann ging es nicht um Geld. Und falls er eine Geliebte gehabt haben sollte, haben wir sie nicht aufgespürt. Von irgendwelchen schlimmen Gewohnheiten fehlte ebenso jede Spur. Er trank sehr wenig, fiel nie aus der Rolle. Seine Frau ist vor sieben Jahren gestorben. Er hatte zwei Töchter. Jenny, die ältere, ist mit Alan Argyll, einem äußerst erfolgreichen Geschäftsmann, verheiratet.«
    Runcorn holte tief Luft und ließ sie mit einem Seufzer entweichen. »Havilland arbeitete in seiner Gesellschaft als Ingenieur beim großen Neubau der Abwasserkanäle mit. Die zwei schienen sich gut zu verstehen, bis Havilland sich in den Kopf setzte, dass die Tunnel gefährlich wären und es eines Tages einen Unfall geben würde. Dafür konnten wir aber keine Beweise finden. Argyll hat sich in Sachen Sicherheit nichts zuschulden kommen lassen. Die Wenigsten haben einen so guten Ruf wie er. Und wir alle wissen, dass die neue Kanalisation dringend gebraucht wird. Niemand hat den Great Stink vergessen oder ist so blöd, dass er sich einbildet, so etwas könnte nicht noch einmal passieren, wenn wir nichts unternehmen.«
    »Und Mary?«, fragte Monk. Er wollte Runcorn einen Fehler nachweisen, irgendetwas, das er vergessen oder falsch gemacht hatte, fand jedoch nichts.
    Runcorns Gesicht wurde weicher. »Das arme Mädchen war verzweifelt.« Seine Stimme nahm wieder einen defensiven Ton an, als verspürte er das Bedürfnis, die Erinnerung an Mary vor Monks Zudringlichkeit zu schützen – was ihm Monks Achtung einbrachte.
    »Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er zu so etwas in der Lage wäre«, fuhr Runcorn betrübt fort. »Sie sagte, er hätte einen Kreuzzug geführt, und Menschen, die auf einem Kreuzzug wären, würden zwar manchmal getötet, sich aber doch nicht selbst erschießen. Sie meinte, er wäre kurz vor einer Entdeckung in den Tunneln gestanden und jemand hätte ihn umgebracht, um zu verhindern, dass er das ans Licht bringt. Gewaltige Gewinne stünden auf dem Spiel. Riesige Vermögen könnten mit diesem Projekt geschaffen werden, und man könnte ein hohes Ansehen erwerben.«
    »Was glauben Sie?«, fragte Monk.
    »Ich hab auch Erkundigungen über ihn eingezogen«, murmelte Runcorn betrübt. »Laut den Arbeitern ist er zum Schluss ganz schön exzentrisch geworden. Hatte eine Höllenangst vor den Tunneln und Löchern, hieß es. Fing regelrecht zu zittern an, brach immer wieder in Schweiß aus und wurde leichenblass. Soll ja manchmal vorkommen. Bei den einen ist es die Angst vor Höhen oder vor Spinnen, bei den anderen vor Schlangen. Oder sonst was. Normalerweise heißt es, dass nur Frauen vor solchen Sachen Angst haben, aber das muss nicht immer so sein. Ich hab mal an einem Fall gearbeitet, bei dem eine Frau beim Anblick einer Maus in Ohnmacht gefallen ist. Keine Ahnung, warum, aber solche Ängste müssen nicht zwangsläufig einen echten Grund haben. Eine andere fürchtete sich vor Vögeln, selbst vor Kanarienvögeln.« Er hielt inne. Sämtliche Falten in seinem Gesicht zeigten nach unten, sodass er alt und müde aussah. »Er schien tatsächlich von seiner Furcht vor einem Unfall besessen zu sein, und soweit ich das beurteilen konnte, gab es keinen Grund dafür.«
    »Was dachte Mrs. Argyll diesbezüglich über ihren Vater?«, wollte Monk wissen, dem Jennys durchgedrückter Rücken und ihr sorgfältig beherrschtes Gesicht wieder eingefallen waren.
    »Machte sich Vorwürfe, dass sie nicht erkannt hatte, wie weit sein Wahnsinn fortgeschritten war.« Runcorns Augen verrieten Müdigkeit und Verwirrung. »Sagte, sie hätte dafür gesorgt, dass jemand sich um ihn kümmerte, wenn sie das früher gewusst hätte. Nicht dass sie irgendwas hätte ausrichten können, wie ihr Mann ihr dann gleich vorhielt. Solange ein Mensch keine Gesetze bricht – und das hatte Havilland nicht getan -, kann er so viel spinnen, wie er will.«
    »Und Mary?«
    Runcorn seufzte. »Das ist es ja. Das arme Mädchen weigerte sich, das zu akzeptieren. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, dass ihr Vater Recht hatte, und ließ sich durch nichts davon abbringen. Sie fing dann an, alle Bücher von ihm zu lesen und Fragen zu stellen, löste die Verlobung mit Toby Argyll und verschrieb sich voll und ganz der Aufgabe, den Namen ihres Vaters reinzuwaschen. Sie wollte unbedingt, dass er in geweihter Erde begraben wurde, selbst um den Preis eines lebenslangen Kampfes.« Er

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