Das dunkle Labyrinth: Roman
begann Margaret.
»Und Snoot?« Hester meinte den eifrigen kleinen Terrier des Rattenfängers.
Margaret lächelte. »Bei bester Gesundheit. Was immer Sutton bedrückt, mit Snoot hat es nichts zu tun.«
Hester fühlte sich unendlich erleichtert. Sie wusste, wie sehr Sutton den Rüden liebte, der womöglich alles war, was er hatte. Jedenfalls hatte er noch nie von irgendwelchen Angehörigen gesprochen.
In der Küche stand Porridge auf dem riesigen gusseisernen Herd, der fast ununterbrochen brannte und nur gelegentlich gereinigt und auf Hochglanz gebracht wurde, wenn jemand mal eine Stunde lang nichts zu tun hatte. In zwei Kesseln kochte Wasser, und die Luke zum Backofen war nun wieder geschlossen worden, während die frisch gerösteten Scheiben eines Laibes Brot auf zwei Holzgestelle verteilt auskühlten. Auf dem Tisch standen Butter, Marmelade und Johannisbeerkonfitüre. Was Nahrungsmittel betraf, war die Klinik gegenwärtig gut versorgt.
Sutton, ein hagerer Mann und kaum größer als Hester, saß auf einem der wenigen Küchenstühle. Bei ihrem Eintreten stand er sofort auf, und der kleine Jack-Russell-Terrier zu seinen Füßen wedelte heftig mit dem Schwanz, war aber zu streng erzogen worden, um an ihr hochzuspringen.
Suttons Gesicht leuchtete auf vor Freude und etwas anderem, was nach Erleichterung aussah. »Morgen, Miss Hester! Wie geht’s Ihnen so?«
»Mir geht es sehr gut, Mr. Sutton«, antwortete sie. »Und Ihnen? Sie werden doch bestimmt nichts gegen ein Frühstück haben. Ich wollte gerade etwas essen.«
»Das wär sehr nett von Ihnen.« Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte, dann nahm er wieder Platz.
Margaret hatte schon zu Hause gefrühstückt. Sie nahm sich grundsätzlich nur dann etwas von den Rationen der Klinik, wenn sie lange dort blieb und der Hunger zu quälend wurde. Den größten Teil der Geldmittel steuerte sie dank ihrer Beziehungen bei und wusste daher zu gut über die Mühe dieser Aufgabe Bescheid, um auch nur einen Penny von dem für sich zu nehmen, was für die Kranken verwendet werden konnte. Sie würde eine hervorragende Klinikleiterin abgeben, wenn Hester nicht mehr da war.
Sutton aß erst eine Schale Porridge und dann eine Scheibe Toastbrot mit Marmelade. Hester begnügte sich mit Toast und Konfitüre. Sie waren bei ihrer zweiten Tasse Tee angelangt, als Claudine sich entschuldigte und sie allein ließ. Claudine hatte Snoot etwas Porridge und sogar Milch gegeben, und jetzt schlief der Hund glücklich und zufrieden vor dem Herd.
»Die verwöhnt ihn so lange, bis er nix mehr taugt«, brummte Sutton, sobald Claudine draußen war. »Was nützt er noch bei der Rattenjagd, wenn sie ihm das Fressen auf’nem Tablett serviert?«
Hester hielt eine Antwort für überflüssig. Mit ihrem Rückzug wollte Claudine Sutton zu verstehen geben, dass sie ihm widerstrebend einen gewissen Respekt entgegenbrachte. Sie war eine Dame, er fing Ratten. Sie brachte es nicht über sich, ihn als gleichwertig zu behandeln, wobei sie sich im Übrigen beide unbehaglich gefühlt hätten. Aber wenigstens seinen Hund wollte sie ausgesprochen fürsorglich behandeln. Das war etwas anderes, und im Grunde war das beiden klar.
»Was führt Sie hierher?« Hester hatte es eilig, zur Sache zu kommen, bevor jemand hereinplatzte und sie wegen irgendetwas Dringlichem unterbrach.
Auch Sutton redete nicht um den heißen Brei herum. Sie hatten sich während der Krise im Herbst gut kennen gelernt. Er sah sie ernst an. »Ich weiß nich’, ob man da was machen kann, aber ich muss alles versuchen. Jeder von uns hat den Great Stink noch in der Nase und weiß, dass der Fluss auch jetzt noch ganz schön scheußlich riecht. Und endlich tun sie was dagegen. Das alles hat ja seine Richtigkeit …« Er schüttelte den Kopf. »Aber die meisten Leute, die über der Erde leben, haben keinen Ahnung, was darunter los ist.«
»Nein«, pflichtete sie ihm bei. »Sollten wir denn?«
»Wenn die Leute anfangen, mit Pickeln, Schaufeln und diesen großen Maschinen rumzugraben, dann sag ich, ja, unbedingt.« In seinem Ton lag plötzlich etwas Drängendes und eine Furcht, die sie noch nie bei ihm gehört hatte. Im Herbst war er sehr stark gewesen. Was ihn jetzt zu ihr führte, war etwas völlig Neues, etwas, dem er sich allein nicht gewachsen fühlte.
»Was ist dort los?«, fragte sie. »Meinen Sie etwa Dinge wie Totenacker und Pestgruben?«
»So was gibt’s auch, aber was ich meine, das sind Flüsse. Dort unten wimmelt’s von Quellen und
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