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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Institution zuteil werden konnte, wenn sie der Behandlung der Mittellosen gewidmet war: Sie war mietfrei. Zuvor war sie ein übel beleumundetes Bordell gewesen, geführt von einem gewissen Squeaky Robinson, einem Mann, der sich durch großes Organisationstalent und finanzielles Geschick auszeichnete. Nur einmal war ihm ein grober Fehler unterlaufen, und den hatte Hester mit der Hilfe des Anwalts Oliver Rathbone ausgenutzt. Infolgedessen waren das Bordell geschlossen, die üblen Machenschaften beendet und das Gebäude in eine Klinik für kranke oder verletzte Straßenmädchen verwandelt worden.
    Einige der ehemaligen Patientinnen waren geblieben, um mühsamere, doch dafür weit sicherere Tätigkeiten wie Putzen und Wäsche waschen auszuüben. Squeaky Robinson selbst lebte auch noch in dem Gebäude, um unter ständigem und lautstarkem Klagen die Bücher zu führen und die Finanzen zu verwalten. Er gestattete es Hester nie, zu vergessen, dass er nur zwangsweise hier war, nachdem man ihn mit einem Trick überlistet hatte. Gleichwohl war ihm bewusst, dass er in Wahrheit trotz allen Geredes sehr stolz auf das Unternehmen war.
    Nach der entsetzlichen Phase, in der Claudine Burroughs dazugekommen war und eine umfassende Veränderung in ihrem Leben erfahren hatte, hatte endlich auch Margaret Ballinger Oliver Rathbones Heiratsantrag angenommen. Beide Frauen arbeiteten jetzt in der Klinik und hatten die feste Absicht zu bleiben. Damit nahmen sie Hester einen großen Teil der Verantwortung ab, nicht nur, was das Sammeln von Spenden für den Unterhalt – Essen, Heizstoffe und Medikamente – betraf, sondern auch hinsichtlich der täglich anfallenden Arbeiten.
    An demselben Vormittag, an dem Monk mit der Untersuchung des Todes von James Havilland begann, saß Hester zum letzten Mal im Büro der Klinik und überprüfte die Buchhaltung.
    Nach den grauenhaften Wochen im vergangenen Herbst, die sie wie durch ein Wunder überlebt hatte, hatte Monk kategorisch verlangt, dass sie mit der Arbeit dort aufhörte. Doch es fiel ihr schwer, darauf zu verzichten. Die Klinik bedeutete ihr mehr als nur eine dringend notwendige Zufluchtsstätte für verletzte oder kranke Straßenmädchen. Sie war mehr als nur Arbeit für einen guten Zweck. Sie befriedigte ihren Herzenswunsch: zu heilen und alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um die Schmerzen, die sie gesehen hatte und nie völlig vergessen konnte, wenigstens teilweise zu lindern.
    Doch Monk hatte so große Angst um sie ausgestanden, dass sie jeden Streit über ihren weiteren Verbleib in der Klinik verloren hatte. Sie sah die Furcht in seinem Gesicht, spürte sie bei jeder Berührung. So blieb ihr schließlich keine andere Wahl, als nachzugeben. Es gelang ihr einfach nicht, ihm zu erklären, warum es ihr nicht genügte, sich um das Haus zu kümmern, zu kochen, zu putzen und ihn zu umsorgen. Gut, sie konnte ihre Zeit damit ausfüllen, doch blieb ihr Bedürfnis ungestillt, gegen Schwierigkeiten zu kämpfen und sich um Menschen zu kümmern, für die sich sonst niemand interessierte. Sie konnte bis zur Erschöpfung arbeiten, und egal, ob ihr Erfolge beschieden waren oder nicht, stets setzte sie all ihre Fähigkeiten ein. Daran hing ihr Herz, darin fand sie Erfüllung.
    Nur konnte sie Monk das nicht sagen. Er würde sich zurückgewiesen fühlen, und das wäre unerträglich für sie. Also zog sie ihre letzten Pflichten in der Klinik in die Länge, schob den Augenblick, da sie gehen musste, immer weiter hinaus.
    Es wäre ihr lieber gewesen, die Buchführung in der vertrauten Küche daheim zu erledigen, wo der Ofen für angenehme Wärme sorgte und die Lampen die alten, abgenutzten Töpfe und das bunt zusammengewürfelte Porzellan mit seinen verschiedenen Farben und Mustern in ein freundliches gelbes Licht tauchte, wo Zöpfe aus Zwiebeln zusammen mit Büscheln getrockneter Kräuter von den Dachbalken hingen, und wo mindestens ein Trockengestell herumstand, behängt mit gewaschenen Verbandstüchern für die nächste Katastrophe.
    Aber die Kassenbücher, Rechnungen, Quittungen und nicht zuletzt das Geld waren im Büro. So saß sie also mit kalten Füßen und steifen Händen am Tisch, addierte Zahlen und gab sich alle Mühe, ein Hoffnung versprechendes Ergebnis hinzubekommen.
    Ein kurzes Klopfen unterbrach sie, und gleich darauf trat Claudine ein. Sie war eine große Frau mit schmalen Schultern und breiten Hüften. In ihrer Jugend war sie schön gewesen, aber Jahre des Unglücks hatten ihre Haut welken

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