Das dunkle Labyrinth: Roman
nicht zulassen, sonst geriet er noch in Panik. Seine Kleidung war jetzt schon schweißgetränkt.
Er trat entschlossen vor und sprach den am besten gekleideten Mann an, einen von nur zweien mit Jacke, der offenbar die anderen beaufsichtigte, ohne selbst eine spezielle Arbeit zu verrichten.
Der Mann hatte breite Schultern und wies an der Hüfte bereits einen Speckgürtel auf, obwohl er dem Aussehen nach nicht älter als Mitte vierzig war. Seine Züge waren regelmäßig und hatten etwas Imposantes, nur der Mund war eine Spur zu breit. Sein stark gewelltes Haar schimmerte dunkel, und er hatte einen mächtigen, dunklen Schnauzer. Er richtete seine blauen Augen auf Monk. »Ja?«, fragte er überascht. Er sprach mit lauter Stimme, um das Dröhnen der Maschine und das Prasseln der Erdmassen und Gesteinsbrocken zu übertönen.
»Monk, Flusspolizei. Ich muss mit dem für diese Baustelle Verantwortlichen sprechen.«
»Das bin ich. Aston Sixsmith, mein Name. Worum geht’s, Mr. Monk?«
Monk deutete mit dem Arm hinter sich, um dem Mann zu signalisieren, dass sie sich von dem Lärm entfernen sollten. Es kostete ihn enorme Mühe, sich nicht auf der Stelle umzudrehen und vorauszueilen. Allmählich bekam er Verständnis für Havilland und konnte nachvollziehen, dass sich jemand von diesen Wänden, der Dunkelheit und vor allem von der schalen Luft erdrückt fühlte, die sein Gesicht einhüllte und seine Lunge verstopfte.
Sixsmith ging voraus und blieb nach etwa hundert Metern stehen. »Nun, Mr. Monk, was kann ich für Sie tun?« Neugierig sah er Monk an. »Flusspolizei, haben Sie gesagt? Wir haben hier keine Probleme, und ich habe seit einem Monat keinen Neuen mehr eingestellt. Suchen Sie jemand Bestimmten? Dann würde ich es an Ihrer Stelle am Themsetunnel versuchen. Das ist eine eigene Geschichte. Manche verbringen praktisch sogar ihr ganzes Leben im Untergrund. Um diese Jahreszeit ist es dort trockener als an der Oberfläche. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Sie das selbst wissen.«
»Allerdings«, antwortete Monk, obwohl es sich beim Themsetunnel um eine Welt handelte, für deren Erforschung er bisher noch keine Zeit gehabt hatte. Der Fluss selbst nahm ihn vollständig in Anspruch, stieß ihn ständig auf neue, gewaltige Wissenslücken und auf kleine, dumme Fehler, die er in seiner Ahnungslosigkeit beging. Ihm stieg die Röte ins Gesicht, wenn er daran dachte, wie oft ihn Orme gerettet hatte, ohne dass die anderen es mitbekamen. So konnte es auf keinen Fall weitergehen. »Ich suche niemanden«, erklärte er und sah Sixsmith fest in die klaren blauen Augen. »Ich glaube, Sie haben mit James Havilland zusammengearbeitet?«
Ein Schatten der Trauer legte sich über Sixsmith’ Gesicht. Dieses Gesicht zeigte Emotionen schneller, als Monk das erwartet hatte. Er sah den Navvys nicht unähnlich und fand wohl leicht Zugang zu ihnen, doch Tonfall und Wortwahl wiesen ihn als Mann von höherem Stand und beträchtlich höherer Bildung aus, unabhängig davon, auf welchem Weg er sich sein Wissen angeeignet hatte.
»Ja«, antwortete er. »Armer Mann. Am Ende haben die Tunnel ihn sich geholt.« Seine Augen suchten Monks Blick, und den Polizisten beschlich das Gefühl, dass seine eigene Angst sehr wohl gespürt, wenn nicht sogar erkannt worden war.
»Was können Sie mir über ihn sagen?«, fragte Monk. »War er ein guter Ingenieur?«
»Ein ausgezeichneter, nur vielleicht etwas altmodisch. Er wollte die Neuerungen gründlicher überprüfen lassen, als ich das für notwendig hielt. Aber er war ein anständiger Mann, und ich kenne niemanden, der ihn nicht mochte oder nicht respektierte.«
»Sie haben gesagt, die Tunnel hätten ihn sich geholt. Was meinen Sie damit?« Monk war erleichtert, dass sie sich in Bewegung gesetzt hatten und sich langsam dem Ausgang näherten.
Seufzend hob Sixsmith in einer Geste des Bedauerns die Hände. Obwohl sie kräftig und von der Arbeit schmutzig waren, ließen sie auch etwas Feines erkennen. »Manche Leute halten es in abgeschlossenen Räumen nicht aus. Wer unter der Erde arbeitet, muss besonders starke Nerven haben. Die hatte er nicht. Ach, er gab immer sein Bestes, aber man konnte sehen, dass er die Beherrschung über sich immer mehr verlor.« Ein weiterer Seufzer, dann strafften sich seine Züge. »Ich habe versucht, ihn dazu zu überreden, oben zu arbeiten, aber er wollte einfach nicht auf mich hören. Stolz, nehme ich an.«
»Gab es denn irgendwas Bestimmtes, vor dem er besonders Angst hatte?«,
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