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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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versuchte es mit einem anderen Ansatz. »Liebte sie Mr. Argyll sehr?«
    »Nein«, sagte die Köchin abrupt, nur um sofort zu bemerken, dass sie zu offen gewesen war. »Ich meine … ich meine … sie mochte ihn natürlich, aber sie hat die Verlobung gelöst, nicht er.« Sie schluckte. »Mr. Monk, sie hätte sich nie und nimmer das Leben genommen! Wenn Sie sie gekannt hätten, dann würden Sie erst gar nicht an so was denken! Sie war fest entschlossen zu beweisen, dass der arme Mr. Havilland umgebracht worden ist und sich nicht selbst das Leben genommen hat, und sie hatte den Beweis fast schon in der Hand. So aufgeregt war sie …« Sie verstummte und drehte sich schniefend weg.
    »Wenn Sie sich nicht selbst das Leben genommen hat, Mrs. Plimpton, was, glauben Sie, ist dann geschehen?«, fragte Monk sanft. Er wollte sie wissen lassen, dass er ihre Sicht der Dinge ernst nahm.
    Sie wandte sich ihm wieder zu. Ihre Augen waren gerötet und verquollen. Vielleicht war es sein verständnisvoller Ton, vielleicht die Tatsache, dass er an ihrem Tisch saß und ihren Kuchen aß, jedenfalls fühlte sie sich respektiert.
    »Ich glaube, sie hat rausgefunden, wer ihrem Vater diesen Brief geschickt hat, um ihn in den Stall zu locken und umzubringen«, sagte sie herausfordernd. »Mr. Havilland hätte sich nie selber erschossen; genauso wenig wie Miss Mary eine von denen war, die von Brücken springen!« Sie holte erneut tief Luft. »Also kommen Sie mir nicht damit, sie hätte so was gemacht. Das lasse ich mir von keinem bieten, der hier sitzt und meinen Kuchen isst!«
    Monk war verblüfft. Ihm hatte noch niemand etwas von einem Brief gesagt. »Was für ein Brief, Mrs. Plimpton?« Er schaffte es, einen dringlichen Ton zu unterdrücken.
    »Der Brief, den er am Abend vor seinem Tod gekriegt hat«, antwortete sie.
    »Mr. Cardman hat ihn nie erwähnt.«
    »Weil er es nicht wusste.« Automatisch schenkte sie Monk aus der großen braunen Teekanne nach. »Er ist an der Hintertür abgegeben worden, und Lettie hat ihn ihm gebracht. Er hat ihn gelesen und offenbar gleich verbrannt. Aber gleich danach hat er Mr. Cardman gesagt, dass er lange aufbleiben will und keiner sich seinetwegen Umstände machen und auf ihn warten soll. Er wollte dann selber zusperren. Der, der ihn treffen wollte, hat ihn umgebracht. Davon lass ich mich nicht abbringen, und wenn es mich das Leben kostet!« Sie schnappte jäh nach Luft, als hätte sie auf einmal begriffen, dass Havilland für seine Überzeugung gestorben war.
    »Sie sind ganz sicher?«
    »Natürlich!« Sie zitterte, aber ihre Augen flackerten nicht.
    »Kann ich mit Lettie sprechen?«, bat Monk.
    »Denken Sie etwa, ich hab das erfunden?«, fuhr sie ihn an. Sie reckte ihm kampfeslustig das Kinn entgegen.
    »Nein, nein«, versicherte er ihr. »Wenn Sie sich das ausgedacht hätten, hätte es ja keinen Sinn, mit Lettie zu sprechen. Ich möchte nur hören, woran sie sich erinnen kann: die Art des Papiers, Tinte, Handschrift. Ich möchte wissen, ob sie gesehen hat, wie Havilland ihn geöffnet hat und wie er reagiert hat. War er überrascht, ängstlich, erschrocken, aufgeregt oder vielleicht sogar erfreut? Hatte er ihn erwartet oder nicht?«
    »Oh … ja. Gut!« Sie brachte es nicht über sich, ihn um Entschuldigung zu bitten, aber sie schob den Kuchenteller zu ihm hinüber. »Na gut, ich lass Lettie mal holen.« Sie ging zur Tür und befahl der Küchengehilfin, das Dienstmädchen zu suchen.
    Lettie kam sofort herein. Sie war noch sehr jung, fünfzehn Jahre vielleicht. Während sie vor Monk stand und seine Fragen beantwortete, verdrehte sie unentwegt die Finger über der Schürze. Der Brief war von einem jungen Burschen gebracht worden, den sie nie zuvor und auch danach nie wieder gesehen hatte. Sie konnte nicht lesen und wusste nichts über das Papier oder die Schrift zu sagen, doch sie konnte sich deutlich erinnern, dass der Brief Mr. Havilland sowohl überrascht als auch erschreckt hatte. Nachdem er ihn gelesen hatte, hatte er ihn ins Feuer geworfen und ihr dann aufgetragen, Cardman zu ihm zu schicken. Er hatte keine Antwort geschrieben.
    »Kannst du dir denken, von wem der Brief war?«, fragte Monk.
    »Nein, Sir.«
    »Kannst du dich erinnern, was Mr. Havilland sagte?«
    »Dass ich gleich nach Mr. Cardman schicken soll.«
    »Ist das alles?«
    »Ja, Sir.«
    »Hattest du die Handschrift schon einmal gesehen?«
    »Keine Ahnung, Sir. Ich hab nich’ draufgeschaut.«
    Monk bedankte sich bei ihr und Mrs. Plimpton. Dann

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