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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der Tunnel eine Röhre mit gelegentlichen Flutauslässen. Und zur Oberfläche würden Schächte mit Eisenringen an den Wänden führen, an denen Männer hinunterklettern konnten, um den Kanal zu reinigen und Trümmer wegzuräumen, wenn der Abfluss verstopft war.
    Eine gewaltige Dampfmaschine stampfte am Grund des Lochs mit solcher Wucht, dass die Erde bebte. Sie bewegte eine Kette, die mit Schutt beladene Eimer zu einem Haufen beförderte, über dem sie ausgeleert wurden. Sie zischte, stöhnte und spuckte unentwegt Dampf aus und erzeugte dabei einen so schrecklichen Lärm, dass die Männer in einem Umkreis von zwanzig bis dreißig Metern sich nur schreiend verständigen konnten. Heizer schaufelten Kohle in den Ofen, um dann wieder Eimer zu leeren und zurückzuschicken.
    Monk präsentierte seinen Dienstausweis, woraufhin ihm der Vorarbeiter widerstrebend Einlass in den Schacht gewährte, ohne ihm allerdings einen Begleiter an die Seite zu stellen. Wiederholt rutschte Monk aus, vermied nur mit Mühe einen Sturz in den feuchten Lehm und stieß mehrmals gegen die nur lose verschalten Wände.
    Unten angekommen, fiel ihm das Gehen auf den über Schutt und Lehm verlegten Holzplanken leichter. Von allen Seiten sickerte Schmutzwasser herab und sammelte sich in Pfützen, die träge weiter in die Tiefe rannen. Monk blickte hastig nach oben. Wie weit unten war er bereits? Er spürte einen Anflug von Panik. Mit zunehmender Höhe schienen sich die Wände immer mehr zu verjüngen und gaben nur noch einen schmalen Streifen Himmel frei. Und nun schob sich eine Wolke vorbei. Monk wurde jäh schwindlig.
    Der Geruch um ihn herum war penetrant – nasse, modrige Erde. Kein Wind, der ihn fortblies, keine Sonne, die hier etwas trocknete.
    Mit einem Widerwillen, der ihn verblüffte, stellte sich Monk dem schwarzen Loch vor ihm. Noch nie hatte er ein derart erdrückendes Gefühl des Eingeschlossenseins erlebt. Er musste sich zwingen, weiterzugehen und seine Fantasie zu zügeln.
    Der Schatten schloss sich über ihm. Das Tageslicht des Winters reichte nicht bis hier unten. Ein paar Meter weiter wurde der Tunnel von einer Gaslaterne erleuchtet. Eine offene Flamme hätte die vorhandenen Gase entzünden können. Monk hatte von Explosionen in Bergwerken, von eingestürzten Schächten und verschütteten Männern gehört. War so etwas auch hier möglich? Nein, natürlich nicht! Er befand sich in einem geraden Tunnel, der bald ringsum mit Ziegeln abgedichtet und von Stahl umschlossen sein würde. Abwasserkanäle brachen nicht einfach ein.
    Vor sich hörte er Hämmern und das Knirschen von Schaufeln. Er ging darauf zu. Zu seinen Füßen schmatzte das Wasser unter den Brettern. Wo verliefen die nächsten Flüsse? Wusste irgendjemand genau darüber Bescheid? Wie sehr änderten Gewässer unbemerkt ihren Lauf, wenn die Erde einsackte, weil die großen Maschinen an der Oberfläche sie erschütterten, nach unten drückten oder Festgefügtes lösten? Er brach in Schweiß aus, und sein Herz pochte heftig.
    In immer gleichem Tempo ging er weiter. Die Regelmäßigkeit seiner Schritte auf den Planken vermittelte ihm die Illusion von Kontrolle, wenn schon über sonst nichts, dann wenigstens über sich selbst. Das Wasser schien überall zu sein, ein im Gaslicht glänzender feuchter Film an den Wänden. Aus dem Nichts tauchte eine Ratte auf und erschreckte ihn zu Tode. Ein gutes Dutzend Schritte rannte sie neben ihm her, dann wurde sie von der Dunkelheit verschluckt.
    Weiter vorn wurden die Lichter heller. Rufe waren zu hören, das scharfe Klirren von Hacken auf Gestein und das dumpfe Klatschen von Lehm. Und dann sah er sie, eine Maschine wie eine riesige Tonne, fast so groß wie der Tunnel selbst, und ihr Dröhnen klang wie der Herzschlag der Erde.
    Mindestens zwanzig Männer arbeiteten hier unten, jeder in seinem Bereich. Kein einziger sah auf oder nahm auch nur die geringste Notiz von Monk. Die Luft war abgestanden, kalt und hatte einen eigenartigen Geschmack.
    Ein Mann taumelte mit einem Schubkarren voller Schutt vorbei. Erneut huschte eine Ratte aus der Dunkelheit und verschwand sofort wieder. Die Seiten des Tunnel jenseits der letzten Holzverschalung glänzten nass, und hier und dort fielen Tropfen auf den durchtränkten Boden.
    Wenn die Arbeiter das Bett eines unterirdischen Stroms durchstießen, würde Wasser wie aus einem aufgedrehten Hahn in den Tunnel schießen, nur dass es dann niemand mehr abdrehen konnte. Aber solche Gedanken wollte und durfte Monk

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