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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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für die Hinterbliebenen, auch ohne dass Sie in ihren Angelegenheiten herumschnüffeln, sinnlose Fragen stellen und die Leute von Wichtigerem ablenken.«
    Er begann, im Zimmer auf und ab zu marschieren. Seinen Tee hatte er offenbar vergessen. »Es wird schon von Korruption bei der Wasserpolizei gemunkelt!« Die Flecken auf seinen Wangen wurden dunkler. »Seit ich in ihren Diensten stehe, hat es so etwas noch nie gegeben! Es heißt sogar, wir würden uns einen Anteil an der Beute sichern!« Er blieb abrupt stehen und starrte Monk mit glühenden Augen an. »Ich lasse nicht zu, dass meine Truppe durch Verleumdungen zerstört wird! Ich habe mit Durban meinen besten Mann verloren. Er war klug, tapfer und loyal. Und vor allem war er ehrlich. Er kannte seinen Fluss wie seine Westentasche, und er kannte diejenigen, die davon lebten, die Guten wie die Schlechten.« Er fuchtelte mit dem Finger vor Monks Brust herum. »Niemand hätte eine solche Ungeheuerlichkeit über uns in den Mund genommen, wenn er noch am Leben wäre. Ich erwarte nicht, dass Sie ihn ersetzen, denn Sie wüssten nicht einmal, wo Sie anfangen sollten! Aber bringen Sie gefälligst Ordnung in dieses Durcheinander und beweisen Sie, dass wir bei keinem Verbrechen wegschauen, egal bei welchem! Und dass wir nichts mit nach Hause nehmen außer unserem Gehalt, das bei uns schwer verdient ist, und zwar in der besten Truppe, die je die Uniform Ihrer Majestät getragen hat! Haben Sie verstanden?«
    »Jawohl, Sir!«
    »Gut. Dann stellen Sie sich auf die Hinterbeine und tun das, wofür Sie verpflichtet worden sind. Guten Tag!«
    »Guten Morgen, Sir.«
    Monk kehrte ins Vorzimmer und an seinen Schreibtisch zurück. Keiner von den Männern sagte etwas, doch er spürte Clactons Blicke auf sich. Die Patrouille war bereits vor Monks Ankunft losgefahren. Er las den Bericht über die Ereignisse der Nacht: die üblichen kleineren Diebstähle, Störungen des öffentlichen Friedens und Unfälle. Es hatte nur einen größeren Vorfall gegeben, aus dem beinahe eine Katastrophe geworden wäre, wenn die Dienst habenden Beamten der Flusspolizei nicht so schnell gehandelt hätten.
    Monk nahm sich vor, den betreffenden Männern zu gratulieren, und zwar vor so vielen Leuten wie möglich.
    Farnham hatte nicht übertrieben. Die Zahl der Diebstähle, die von den Passagierbooten gemeldet wurden, war in der Tat alarmierend angestiegen. Er hatte alte Berichte aus dem gleichen Zeitraum im letzten Jahr in Durbans ordentlicher, kraftvoller Handschrift vorliegen; seitdem hatte sich die Kriminalitätsrate mehr als verdoppelt, und zwar seit Monks Dienstantritt.
    War das Zufall? Oder hatten die Diebe bewusst die neue und weniger strenge Führung durch einen Kommandanten ausgenutzt, dem ihre Namen, Gewohnheiten und Beziehungen untereinander, ihre Methoden und Tricks noch weitgehend fremd waren? Einen Kommandanten, der zudem seine eigenen Männer nicht kannte und unter ihnen kaum Vertrauen genoss.
    Dann drängte sich ihm ein dunklerer und noch hässlicherer Gedanke auf. Waren Durbans Zahlen am Ende gar nicht zutreffend? War es denkbar, dass er sie aus persönlichen Gründen geschönt hatte, entweder um das wahre Ausmaß des Verbrechens zu verbergen oder – eine noch schmerzhaftere Vorstellug – weil die Beschuldigungen zutrafen und die Polizei tatsächlich einen Anteil der Beute einsteckte?
    Nein. Er weigerte sich, das ernst zu nehmen. Durban hätte nie gestohlen. Monk hatte ihn gekannt. Er war ein Ehrenmann und hatte das durch sein Tun bewiesen, ohne je darüber zu sprechen, weil er das nicht nötig hatte.
    Doch vielleicht war das zu einfach gedacht. Die Menschen waren komplexer. Es gab die verschiedensten Verpflichtungen, die einen an andere Menschen binden und oft sogar in entgegengesetzte Richtungen ziehen konnten. Was, wenn Durban etwas vertuscht hatte, um einen seiner eigenen Männer zu schützen? Womöglich jemanden, dem er sein Leben verdankte, weil beispielsweise bei einem gefährlichen Einsatz auf dem Fluss etwas schiefgegangen war? So etwas kam vor. Man konnte Schulden anhäufen, ohne es zu wollen, aber Schulden mussten immer beglichen werden. Darin lag die Sicherheit und zugleich die Gefahr, wenn man mit anderen zusammenarbeitete. Sie hielten einem den Rücken frei, verteidigten einen, wenn man es selbst nicht konnte, und umgekehrt hielt man es genauso, was immer es kostete. Das war die einzige Möglichkeit, am Fluss mit all seiner Gewalt, seinen Gefahren und seiner sich unablässig

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