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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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die verstohlen an ihnen vorbeizogen. Der Atem der zwei Männer stieg in Wolken über ihnen auf. Kutschen fuhren an ihnen vorüber, der Hufschlag der Pferde war durch den Schnee gedämpft. Es war Mitternacht.
    »Die waren bestimmt im Theater«, bemerkte Runcorn, als sich erneut eine Kutsche näherte, sich kurz in der Dunkelheit vor ihnen abzeichnete und im Weiterfahren zwischen zwei Laternen wieder verschwand, um dann vor dem Hintergrund des fallenden Schnees noch einmal als blasser Schemen aufzutauchen.
    »Kutschen! Vielleicht hat einer der Insassen etwas gesehen!«, rief Monk erregt. Natürlich war es eher unwahrscheinlich, dass Menschen, die spät am Abend von einer Gesellschaft heimfuhren, sich ausgerechnet an ein Ereignis erinnerten, das zwei Monate zurücklag, oder gar an völlig unbekannte Personen. Aber darin lag ihre einzige Hoffnung, und aus Erfahrung wussten sie, dass Hartnäckigkeit bisweilen durchaus belohnt wurde. Sie beschleunigten ihre Schritte.
    »Remise«, sagte Runcorn.
    »Was?«
    »Remise. Wir brauchen die Kutscher. Die Leute werden nach Hause wollen und kaum Lust haben, uns so spät in der Nacht zu helfen. Aber die Kutscher sind noch auf den Beinen. Müssen abschirren, die Pferde auskühlen lassen, sie abreiben, alles aufräumen. Es dauert noch mindestens eine Stunde, bis sie ans Schlafen denken können.«
    Aber natürlich! Monk hätte von selbst darauf kommen müssen. Doch da er sich seit Wochen darauf konzentrierte, die Gepflogenheiten am Fluss kennen zu lernen, hatte er das Naheliegende völlig vergessen.
    »Richtig«, stimmte er Runcorn zu und wollte schon losgehen, doch sein Begleiter zögerte noch. Der Rang, den Runcorn sich über die Jahre erarbeitet hatte, hatte nicht vermocht, ihm die tief in seinem Inneren verwurzelte Überzeugung zu nehmen, dass Monk irgendwie der Führer von ihnen beiden war. Gut, sein Verstand wusste es besser, aber der Instinkt war langsamer.
    Monk musste sich dazu zwingen, aber er hielt sich bewusst einen halben Schritt hinter ihm. Er war darauf angewiesen, dass Runcorn seine Kraft in die Ermittlungen steckte und sie nicht darauf verschwendete, Monk seine Qualitäten vorzuhalten, als wären dessen Ehrgeiz und elegante Ausdrucksweise immer noch eine Bedrohung für ihn. Freilich wusste Monk, dass seine eigene Zurückhaltung nicht auf Schuldgefühlen und schon gar nicht auf Edelmut beruhte, sondern auf rein praktischen Überlegungen.
    Sie passierten einen Durchgang, in dem sie kurz Schutz vor dem Schnee fanden. Von dort führte eine Straße zu der großen Remise, die sich die feinen Häuser teilten. In den einzelnen Ställen brannten noch überall Lichter, und die Türen standen offen. Drei Männer hatten alle Hände voll damit zu tun, Kutschen zu ihrem Abstellplatz zu bugsieren, dabei die Pferde zu beruhigen und abzuschirren. Das erledigten sie in Windeseile, denn draußen war es klirrend kalt, und sie wollten sich so bald wie möglich aufwärmen, ehe sie ins Bett schlüpften.
    »Namen und Adressen«, sagte Runcorn überflüssigerweise. »Sehr viel mehr werden wir den armen Teufeln um diese Zeit nicht entlocken können.«
    Monk lächelte vor sich hin. Die »armen Teufel« würden lange vor ihm in ihren warmen Betten liegen.
    »Guten Abend«, begrüßte Runcorn in fröhlichem Ton den ersten der Männer, der noch damit beschäftigt war, einem prächtigen Rotfuchs das Zaumzeug abzunehmen.
    »Guten Abend«, antwortete der Mann misstrauisch. Das Pferd warf den Kopf zurück, woraufhin der Kutscher es am Zügel ergriff und tätschelte. »Still jetzt. Is’ ja gut. Ich weiß schon, dass du ins Bett willst. Ich doch genauso, Junge. Ruhig. Was ist, Sir? Haben Sie sich verlaufen?«
    Runcorn stellte sich vor. »Es ist nichts geschehen«, sagte er freundlich. »Ich habe mich nur gefragt, ob Sie letzthin zum Theater gefahren sind, und wenn ja, ob Sie dort oft vorbeikommen. Sie haben dann womöglich etwas gesehen, das für uns hilfreich sein könnte. In diesem Fall suchen wir Sie gern zu einer günstigeren Zeit auf und unterhalten uns eingehender darüber.«
    Der Mann zögerte. Die Laterne auf dem Kutschbock enthüllte sein erschöpftes Gesicht und den Schnee auf Hut und Mantelkragen. »Prince of Wales Theatre«, sagte er argwöhnisch.
    »Fahren Sie oft dorthin?«
    »Zweimal in der Woche. Wenn was Gutes gegeben wird.«
    »Sehr gut. Welchem Haus gehören Sie an, und wie heißt Ihr Dienstherr?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Nicht heute Nacht.«
    »Heute Nacht nicht«, versicherte

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