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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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planen müssen. Herausfinden, ob sich bei den Diebstählen ein Muster erkennen lässt. Ist etwas vom Diebesgut wieder aufgetaucht? Wer würde solche Sachen annehmen? Zahlungskräftige Hehler?« Monk war klar, dass es in London wohlhabende Leute gab, die die wertvollsten Güter aufkauften und wussten, wo und wie man sie wieder loswurde. Durban hätte es nicht nötig gehabt, zu fragen – er hätte nicht nur ihre Namen und die Adressen ihrer Geschäfte und Lager gekannt, sondern auch gewusst, auf welche Waren sie jeweils spezialisiert waren.«
    »Ja, Sir«, sagte Orme knapp.
    Plötzlich begriff Monk, wie sehr Orme Durban vermissen musste, und wie wenig er selbst das gewaltige Loch zu füllen vermochte, das durch seinen Tod entstanden war. Vielleicht gelang es ihm nie, sich diese Treue und Zuneigung zu verdienen, die die Männer seinem Vorgänger entgegengebracht hatten, aber er konnte wenigstens versuchen, ihren Respekt zu gewinnen, und ihnen mit der Zeit die Gewissheit vermitteln, dass sie ihm und seinen Fähigkeiten vertrauen konnten.
    Fürs Erste war Orme derjenige, dem sie vertrauten, dem sie ihre Treue erwiesen und gehorchten. Monk konnte von ihnen allenfalls Lippenbekenntnisse und von Clacton noch nicht einmal das erwarten. Letzterer war ohnehin ein Problem, das er noch lösen musste, und alle anderen verfolgten gespannt, wie er damit umging. Früher oder später würde Clacton eine Machtprobe provozieren, und von deren Ausgang würde Monks Autorität abhängen.
    Er versuchte, sich zu erinnern, mit welchen Strategien er früher gegen Diebesbanden vorgegangen war, aber seit seinem Gedächtnisverlust bei dem Unfall hatte er sich vorwiegend mit Mordfällen befasst. Geringfügiger Diebstahl gehörte in eine längst versunkene Vergangenheit, in die frühen Jahre seiner Zusammenarbeit mit Runcorn, als sie – und bei diesem Gedanken befiel ihn Wehmut – mit-und noch nicht gegeneinander gearbeitet hatten. Gelegentlich waren ihm Erinnerungsfetzen durchs Bewusstsein gezuckt, und dann hatte er wieder vor Augen gehabt, wie er sich durch die riesigen Elendsviertel mit ihrem Geflecht von unterirdischen Tunneln und zahllosen verfallenen Wohnstätten gepirscht hatte. Ein einziges Labyrinth aus winzigen Gassen, Durchgängen und Sackgassen mit unvermuteten Hindernissen und verborgenen Falltüren. Wie leicht konnte man sich dort verirren, gefangen werden oder mit aufgeschlitzter Kehle liegen bleiben. Niemand würde es erfahren oder einen jemals wiedersehen. Die Leiche wurde mit der nächsten Ebbe fortgespült oder gelangte in die Kanalisation, wo sich die Ratten darüber hermachten und nichts davon übrig ließen.
    Das war eine brutale und hässliche Welt. Die Armut, die dort herrschte, war so bedingungslos, dass nur die Stärksten überlebten, und selbst die nur mit dem größten Glück. Polizisten ließen sich dort kaum je blicken, und wenn sie sich hineinwagten, dann nahmen sie jemanden mit, dem sie nicht nur blind vertrauten, was seine Zuverlässigkeit betraf, sondern auch hinsichtlich Können, Schnelligkeit, Nervenstärke und vor allem Mut. Er und Runcorn hatten einander dieses Vertrauen einmal entgegengebracht.
    In einem von Wasser umschlossenen, sumpfigen Bereich des südlichen Flussufers, der als Jacob’s Island bekannt war, lebten Hunderte von Menschen verborgen in den Trümmern von langsam im Schlamm versinkenden Ruinen. Genauso verhielt es sich mit den übervölkerten Elendsvierteln in den Docks, dem häufig überfluteten Themseufer zwischen Westminster und dem Tower und den davor ankernden großen Schiffen, deren Ladung heute hier und morgen irgendwo anders sein konnte. In den Opiumhöhlen von Limehouse oder den Wracks, die den Fluss bis hin zur Mündung säumten, konnte alles Mögliche versteckt werden.
    Wenn sie sich in diese Welt begaben, dachte Monk, musste er Orme sein Leben anvertrauen und Orme ihm das seine. Solches Vertrauen kam aber nicht schnell oder ohne Probe zustande.
    »Ich werde einen Plan ausarbeiten«, erklärte er schließlich. »Wenn Sie schon einen haben, sagen Sie es mir bitte.«
    »Ja, Sir. Ich hab mir gedacht …<
    »Nur zu«, ermutigte ihn Monk.
    »Ich würde gern Fat Man schnappen. Dem Kerl schulde ich eine Menge, was sich so mit der Zeit angesammelt hat.«
    »Ich nehme an, Sie meinen an Schaden, nicht Nutzen?«
    »O ja, Sir! Gewaltigen Schaden!« Ormes Stimme verriet heftige Gefühle, ja, einen Schmerz, der sich über die Jahre hinweg angestaut haben musste.
    Es erschütterte Monk, wie viel

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